Generalanwaltschaft beim EuGH bestätigt und konturiert erstmals ein trinkwasserspezifisches Verschlechterungsverbot

28.03.2023

Das von [GGSC] auf Seiten der Klägerinnen begleitete Vorabentscheidungsverfahren (C-723/21) zum trinkwasserspezifischen Verschlechterungsverbot gem. Art. 7 Abs. 3 der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) bot der Generalanwaltschaft beim EuGH zum ersten Mal die Gelegenheit, sich zu den Konturen dieser bislang kaum beachteten Norm zu äußern. In ihren Schlussanträgen vom -> 02.03.2023 vertritt die Generalanwältin Laila Medina die Auffassung, dass Art. 7 Abs. 3 WRRL die Genehmigungsbehörden dazu verpflichte, vor der Zulassung eines Vorhabens dessen Auswirkungen auf Gewässer, die für die Trinkwassergewinnung genutzt werden, zu prüfen – und die Genehmigung gegebenenfalls zu versagen, wenn das Vorhaben zu einer Verschlechterung im Sinne einer Erhöhung des Trinkwasseraufbereitungsaufwandes führe. Ob eine Verschlechterung im Sinne der WRRL vorliege, sei – in differenzierter Form – anhand der in der Trinkwasserrichtlinie festgelegten Grenzwerte zu ermitteln und jedenfalls hinsichtlich sog. Indikatorparameter von der Feststellung eines Risikos für die menschliche Gesundheit abhängig. Das trinkwasserspezifische Verschlechterungsverbot gelte allerdings nicht absolut; es sei vielmehr im Einzelfall eine Interessenabwägung im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen.

Die Generalanwältin betont das Klagerecht der für die Trinkwasserversorgung zuständigen Kommunen und ihrer mit dieser Aufgabe betrauten Versorgungsunternehmen. Sie erteilt einer lediglich nachträglichen (etwa erst im Laufe eines Klageverfahrens durchgeführten) trinkwasserspezifischen Auswirkungsprüfung eine klare Absage.

In Folge der einvernehmlichen Beendigung des vor dem Verwaltungsgericht Cottbus geführten -> Ausgangsrechtsstreits wird es zwar im Vorabentscheidungsverfahren nicht mehr zu einer Entscheidung durch den EuGH kommen. Gleichwohl wurde durch die ausführlich begründeten Schlussanträge Rechtsfortbildung betrieben: die Genehmigungsbehörden werden in wasserrechtlichen Zulassungsverfahren verpflichtet sein, die trinkwasserspezifischen Auswirkungen des Vorhabens in ihr Prüfprogramm aufzunehmen ­ und ggf. „ein Bündel notwendiger Maßnahmen“ vorzugeben, mit dem die Einhaltung der Trinkwasserrichtlinie sichergestellt wird. Das allgemeine wasserrechtliche Verschlechterungsverbot erhält dadurch eine weitere wesentliche Facette und dient nun auch der Versorgungssicherheit mit richtlinienkonformen Trinkwasser. Vor dem Hintergrund des umweltrechtlichen Vorsorge- und Vorbeugungsprinzips und im Interesse eines hohen Umweltschutzniveaus sei „ein hohes Schutzniveau für die Quelle unerlässlich, um Trinkwasser guter Qualität in nachhaltiger Weise zu erzeugen.“