[GGSC] Rechtsgutachten zur Möglichkeit der „Enteignung“ von Wohnungsunternehmen veröffentlicht
Wie in der Presse berichtet, hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen drei Juristen um eine rechtsgutachtliche Einschätzung zu der Frage gebeten, ob die Wohnungsbestände privater Großvermieter gegebenenfalls „vergesellschaftet“ bzw. „sozialisiert“ werden können, um die Wohnungen in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführen zu können. Dadurch sollen künftig verdrängungsauslösende Mieterhöhungen und Umwandlungen in Wohnungseigentum verhindert werden. Hintergrund der aktuellen Befassung mit dem Thema ist die Forderung der Bürgerinitiative „Spekulation bekämpfen - Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“, die hierzu einen Bürgerentscheid initiiert hat. Berlin würde, wenn es so käme, mit diesem Schritt „juristisches Neuland“ betreten, weil es bisher keinen entsprechenden Fall in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gegeben hat.
Zu den drei Rechtsgutachtern, deren Gutachten seit einer Woche über die Homepage der Senatsverwaltung öffentlich zugänglich sind, zählt auch [GGSC] Rechtsanwalt Dr. Jörg Beckmann, der ebenso wie Prof. Dr. Vorwerk und Rechtsanwalt Dr. Geulen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine „Vergesellschaftung“ nach Art. 15 GG durch ein Berliner Landesgesetz grundsätzlich möglich wäre, dabei jedoch hohe juristische Hürden zu nehmen wären. Eine dieser Hürden ist der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, der – insbesondere bei schwerwiegenden Eingriffen in die Grundrechte – eine Rechtfertigung fordert, wenn zwei Sachverhalte vom Gesetzgeber ungleich behandelt werden. Die Gesetzesinitiative wirft laut Rechtsgutachten insoweit zwei Fragen auf, nämlich, erstens, wie sich begründen lässt, dass nur Vermieter unter die Regelung fallen, die 3.000 oder mehr Wohnungen in ihrem Bestand halten. Auch wenn einleuchtet, dass 3.000 Mietwohnungen ein erhebliches Gewicht am Mietwohnungsmarkt haben, wäre zu begründen, warum die Schwelle nicht bereits bei 2.000 oder erst bei 5.000 Wohnungen angenommen wird. Zweitens würden die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen, die sämtlich in privater Rechtsform organisiert sind, nicht von der Regelung erfasst. Sie unterlägen damit grundsätzlich einer schwächeren Sozialbindung als die zu „vergesellschaftenden“ privaten Wohnungsunternehmen. Auch dies bedarf einer Rechtfertigung, es sei denn, der Berliner Gesetzgeber würde sich entscheiden, auch die landeseigenen Wohnungsunternehmen in öffentliches Eigentum zu überführen.
-> Rechtsgutachten Dr. Jörg Beckmann
-> Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen
-> LTO Online, 06.04.2019: Kann Berlin die Deutsche Wohnen enteignen?