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[GGSC] Verfahrensinformation: Umweltverbände können Pestizid-Zulassungen nicht überprüfen lassen

10.09.2020

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat in der letzten Woche entschieden, dass Umweltverbände kein Recht haben, Zulassungen der EU-Kommission für Pestizid-Wirkstoffe überprüfen zu lassen (Az.: C-784/18 P).

Anlass des Rechtsstreits ist die Genehmigung des Pestizid-Wirkstoffes Glyphosat durch die EU-Kommission. Diese hatte die Genehmigung für Glyphosat mehrfach verlängert und zuletzt erneuert bis Ende 2022.  

Umweltverbände haben aufgrund der Aarhus-Konvention und der EU-Verordnung 1367/2006 das Recht, Entscheidungen der EU-Kommission im Umweltbereich überprüfen lassen. Dieser Anspruch auf Überprüfung kann bei den Unionsgerichten in Luxemburg durchgesetzt werden.

Der Mellifera e.V. hat, vertreten durch [GGSC], Anträge auf Überprüfung von Entscheidungen zur Verlängerung der Glyphosat-Genehmigungen gestellt (Verlängerungen für Zeiträume 2015 – 2017 sowie 2018 – 2022). Initiator ist die Aurelia Stiftung, die auch die Verfahrenskosten trägt. Die Kommission hat die Anträge auf Überprüfung aus formalen Gründen abgelehnt: Die Verlängerung der Genehmigung sei kein „Verwaltungsakt“, sondern eine gesetzesähnliche Handlung.

Mit dem Ziel, die Kommissionsentscheidungen zu Glyphosat durch die  Unionsgerichte zu überprüfen, haben wir dort Klage erhoben. In solchen Verfahren prüft das Gericht, ob die Einwände der Umweltorganisation stichhaltig sind und ob die Kommission eine tragfähige Grundlage für ihre Entscheidung hat. Dieses Überprüfungsverfahren ist zwar effektiv. Allerdings haben die Kommission und die Unionsgerichte das Überprüfungsrecht der Umweltverbände bisher nur in einem einzigen Fall anerkannt, nämlich bei der Zulassung von GVO. Die Kommission konnte keinen weiteren praktischen Fall benennen, in dem Umweltverbände Entscheidungen im Umweltbereich überprüfen lassen können.

Nach dem Urteil des EuGH steht nun fest: Umweltverbände können nach geltendem Unionsrecht auch Genehmigungen für Pestizid-Wirkstoffe nicht von den Unionsgerichten überprüfen lassen (z. B. für Neonicotinoide oder für Glyphosat).

Die mit den Klagen verfolgten Ziele haben weiter grundsätzliche Bedeutung:

  •  „Wächterfunktion“ der Umweltverbände: Kontrolle der von der EU-Kommission erteilten Genehmigungen für Pestizid-Wirkstoffe, erforderlichenfalls durch eine Klage bei den Unionsgerichten.
     
  • Gegengewicht schaffen im Genehmigungsverfahren für Pestizidwirkstoffe: wenn Umweltverbände das Handeln der Kommission nicht kontrollieren, fließen in der engen Zusammenarbeit im Verfahren mit den Herstellern vor allem deren Interessen ein.
     
  • Durchsetzung einer Überprüfung des Genehmigungsverfahrens für den Wirkstoff Glyphosat; dies gilt insbesondere für die Berücksichtigung von Umwelt- und Gesundheitsbelangen sowie für die Transparenz und Unabhängigkeit der Risikoprüfung.

Die Aarhus-Konvention fordert ein umfassendes Klagerecht von Umweltverbänden zur Überprüfung von Entscheidungen mit Folgen für die Umwelt. Die Beschränkung des Klagerechts auf „Verwaltungsakte“ steht mit diesen internationalen Verpflichtungen der EU nicht im Einklang.  Dies sieht auch das Kontrollgremium (ACCC) der Aarhus-Konvention so (Feststellungen 2017).

Das Unionsrecht– hier die VO 1367/2006 – sollte so geändert werden, dass die Umweltverbände in dem hochumstrittenen Bereich der Pestizid-Wirkstoffe auch ihre Aufgabe erfüllen können.