Neues zum Ausgleich von Über-/ Unterdeckungen nach § 5 Abs. 2 NKAG
Erhebt eine Kommune für die Erbringung öffentlicher Leistungen Benutzungsgebühren, so ist sie nach Ablauf des Kalkulationszeitraumes zur Durchführung einer Nachberechnung verpflichtet. Mit der Nachberechnung soll das Vorliegen einer Kostenüber- bzw. Kostenunterdeckung im Kalkulationszeitraum ermittelt werden; diese sind nach Maßgabe des jeweiligen Landes-KAG innerhalb eines bestimmten Zeitraumes auszugleichen. Für den Ausgleich von Über-/Unterdeckungen nach § 5 Abs. 2 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) hat das OVG Lüneburg mit Urteil vom 16.06.2022 (Az.: 9 KN 15/17) nunmehr detaillierte Vorgaben getroffen, über die auch der Niedersächsische Landkreistag in seinem Rundschreiben vom 31.08.2022 informiert hat.
In unserer Beratungspraxis hat die Entscheidung zu einigen Nachfragen zum richtigen Vorgehen bei der Berechnung von Über-/Unterdeckungen geführt. Insbesondere hat die Aussage des Gerichtes irritiert, die niedersächsische Vorschrift stelle ausdrücklich darauf ab, ob die tatsächlichen von den kalkulierten Kosten abweichen (nicht dagegen, ob die tatsächlichen Gebühreneinnahmen von den tatsächlichen Kosten abweichen). Im Einzelnen:
Ausgleichszeitraum für Über-/Unterdeckungen
Grundlage für den ordnungsgemäßen Ausgleich von Über-/Unterdeckungen ist die Einhaltung des gesetzlich vorgegebenen Ausgleichszeitraumes. In Niedersachsen sind Kostenüberdeckungen innerhalb der auf ihre Feststellung folgenden drei Jahre auszugleichen; Kostenunterdeckungen sollen innerhalb dieses Zeitraumes ausgeglichen werden (§ 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG). Dem Urteil des OVG Lüneburg lag noch die alte Fassung des § 5 Abs. 2 NKAG zu Grunde, wonach der Ausgleich innerhalb von drei Jahren nach Ablauf des Kalkulationszeitraumes zu erfolgen hatte.
Zeitpunkt der Feststellung von Über-/Unterdeckungen
Das OVG Lüneburg betont, dass vor Ablauf des Kalkulationszeitraumes eine Über‑/Unterdeckung grundsätzlich nicht entstehen kann. Daraus folgt, dass sich die Ermittlung der Über-/Unterdeckung auf den gesamten, ggf. mehrjährigen Kalkulationszeitraum (und nicht auf einzelne Jahre) beziehen muss. Eine Ausnahme lässt das Gericht nur zu, wenn eine Betriebsabrechnung (aus der sich die tatsächlichen Kosten- und Maßstabseinheiten ergeben können) vor Beginn des Kalkulationszeitraumes, in dem die Über-/Unterdeckungen letztmalig berücksichtigt werden können, nicht vorliegt. In diesem Fall müsse auf Schätzungen zurückgegriffen werden.
Ermittlung des Vorliegens von Über-/Unterdeckungen
Das Vorliegen einer Über-/Unterdeckung ist dem OVG Lüneburg zufolge gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG durch einen Abgleich der tatsächlichen Kosten mit den kalkulierten Kosten festzustellen. Die vielfach (u.a. in der Kommentarliteratur) geforderte zusätzliche Berücksichtigung der „Einnahmeseite“ lehnt das Gericht dagegen ausdrücklich ab. Für einen Abgleich des im Voraus kalkulierten mit dem tatsächlichen Gebührenaufkommen bzw. einen Abgleich der tatsächlichen Gebühreneinnahmen mit den tatsächlichen Kosten böte § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG keinen Raum. Es begründet seine Rechtsauffassung mit der Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 2 NKAG und mit dem Grundsatz der Periodengerechtigkeit.
Vergleich geboten
Erforderlich für die Ermittlung des Vorliegens von Über-/Unterdeckungen ist dem Gericht zufolge aber gleichwohl, dass neben den Kosten auch die kalkulierten und tatsächlichen Maßstabseinheiten miteinander verglichen werden. Dies bringt das OVG Lüneburg in seiner Begründung allerdings nur etwas versteckt zum Ausdruck, so dass – insb. unter Berücksichtigung der amtlichen Leitsätze des Urteils – der Eindruck entstehen könnte, Über-/Unterdeckungen seien ausschließlich durch einen Abgleich der tatsächlichen mit den kalkulierten Kosten zu ermitteln. Eine auf diese Weise erfolgende Ermittlung von Über-/Unterdeckungen kann aber nicht zu zutreffenden Ergebnissen führen, da Über-/Unterdeckungen nicht nur auf Kostenabweichungen, sondern auch auf die von der Kalkulation abweichende konkrete Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung zurückzuführen sein können.
Kommunen, die für die Erbringung öffentlicher Leistungen Benutzungsgebühren erheben, sei jedenfalls angeraten, das Erfordernis der Nachberechnung ernst zu nehmen. Eine nicht nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG durchgeführte Nachberechnung kann einen fehlerhaften Ausgleich von Über-/Unterdeckungen zur Folge haben. Konsequenz wäre, dass etwaige Unterdeckungen nach Ablauf des Kalkulationszeitraumes nicht mehr über die Erhebung von Benutzungsgebühren ausgeglichen werden können bzw. die Gebührensatzung für unwirksam erklärt wird, wenn Überdeckungen nicht rechtzeitig dem Gebührenhaushalt gutgebracht werden.
Gerne unterstützen wir Sie bei der Erstellung von Gebührenkalkulationen und Nachberechnungen. Unser Anwaltsbüro hat bundesweit schon zahlreiche Kommunen diesbezüglich beraten und verfügt über umfangreiche Erfahrungen.