Planungsverträge
Ausgangspunkte
Bei Planungsverträgen sind sowohl die rechtlichen Ausgangspunkte, als auch die denkbaren Störungsszenarien andere. In Architekten- und Ingenieurverträgen gilt in aller Regel nicht die VOB/B, so dass die oben erläuterten Paragrafen nicht herangezogen werden können. Planungsverträge sind zumeist BGB-Werkverträge. Das BGB kennt den Begriff der „höheren Gewalt“ nicht, sondern spricht nur vom „Zufall“, ferner enthält es Regelungen zur „Unmöglichkeit der Leistung“ und zur „Gefahrtragung“. Die rechtlichen Folgen sind dort also weniger unmittelbar und daher komplizierter zu erläutern als bei VOB-Werkverträgen. Im Kern gilt aber auch hier: Für unverschuldete Leistungsstörungen haftet man nicht.
Anders als bei Bauverträgen wird es bei Planungsverträgen keine Probleme mit Materiallieferungen geben. Architekten und Ingenieure verkaufen eine geistige Leistung. Hier wird es mittelfristig eher um die Schwierigkeiten gehen, die dadurch entstehen, dass zu wenig oder gar kein Personal mehr zur Projektbearbeitung zur Verfügung steht.
Ablaufstörungen in der Planung – Pflicht zur Leistungserbringung?
Im Prinzip gilt auch bei Planungsverträgen: Wenn es Ablaufverzögerungen gibt, die nachweislich originär „coronabedingt“ sind, dann sind sie vom Planer nicht verschuldet und haben daher keine für ihn nachteiligen Konsequenzen. Auch der Architekt oder Ingenieur hat dann also einen Anspruch auf Verlängerung seiner Leistungs- und Liefertermine.
Allerdings werden die Hürden für die Annahme einer solchen „coronabedingten“ Störung höher sein als bei Bauverträgen: Solange es keine allgemeine Ausgangssperre oder behördliche Baustellenverbote gibt, sind Architekten und Ingenieure nicht grundsätzlich an der Erbringung ihrer Leistung gehindert. Die Verträge sind daher im Prinzip zu erfüllen.
Das würde sich naturgemäß dort ändern, wo das jeweilige Planungsbüro eine Quarantäneanordnung erhält oder dort, wo Planungsbesprechungen aufgrund interner behördlicher Vorgaben nicht mehr mit externen Mitarbeitern stattfinden dürfen (so u.a. in der Berliner Verwaltung bereits angeordnet). Bei solchen Störungen besteht ohne Zweifel Anspruch auf Verlängerung der Bearbeitungsfristen für das Planungsbüro.
Störungen können aber auch dadurch drohen, dass in den Planungsbüros Personalknappheit entsteht. Wenn dies auf einer Quarantäneanordnung beruht, ist die Störung unverschuldet. Wenn dem Planungsbüro aber nur rein faktisch die Mitarbeiter „davonlaufen“, weil sie aus eigenem Antrieb die Mitarbeit in den Büroräumen verweigern sollten, hat dieses Büro ein arbeitsrechtliches Problem (das hier nicht vertieft werden kann). Dieses Problem ist aber dann nicht das Problem des AG. Das bedeutet: Planungsbüros haben nach heutigem Stand eine deutlich höhere Begründungsschwelle um zu belegen, dass verspätet gelieferte Pläne, verspätet gelieferte Besprechungsprotokolle, mangelnde Anwesenheit auf der Baustelle o.ä. auf höherer Gewalt beruht und deshalb unverschuldet ist.
Zahlungsstockungen
Zu Zahlungsstockungen in Planungsverträgen gilt dasselbe wie oben zu Bauverträgen erläutert. Wenn berechtigte Honorarrechnungen nicht beglichen wird, entsteht in aller Regel Zahlungsverzug, mit den beschriebenen rechtlichen Folgen.
Mehrhonorar wegen Projektverlängerung?
So wie für die Bauunternehmen kann sich bei längeren Projektverzögerungen die (u.U. sogar drängende) Frage stellen, ob der AG das Honorar erhöhen muss. Das ist kein grundsätzlich neues Thema; der Anspruch auf Zusatzhonorar für verlängerte Planungs- oder Bauzeiten hat schon im letzten Jahr an Bedeutung zugenommen, seitdem durch das EuGH-Urteil zur HOAI Nachberechnungen nach HOAI-Paragrafen erschwert sind.
Die Hürden für ein Planungsbüro, auf diesem Weg Zusatzhonorar durchzusetzen, waren schon vor Beginn der Coronakrise extrem hoch und ohne explizite Vertragsklausel zu Bauzeitverlängerungen praktisch nicht zu überwinden. Die Anforderungen, auf der Grundlage von Paragrafen des BGB einen Anspruch auf Zusatzhonorar durchzusetzen, sind so hoch, dass es per heute kein veröffentlichtes Gerichtsurteil in Deutschland gibt, mit dem einem Architekten oder Ingenieur ein solches Zusatzhonorar durch Urteil zugesprochen wurde. Nur wenn der Planungsvertrag eine ausdrückliche Regelung zu diesem Thema enthielt, hat es solche Gerichtsentscheidungen gegeben.
Das muss aber nicht heißen, dass es dazu keine außergerichtlichen Einigungen unterhalb des „Radars“ veröffentlichter Urteile gegeben hat; im Gegenteil ist es sogar sehr wahrscheinlich, dass die Mehrzahl solcher Fälle durch Kompromisse und nicht durch Urteile gelöst werden. Aber die reine Rechtslage als solche ist für Planungsbüros alles andere als komfortabel; für Bauherren ist sie umgekehrt ziemlich komfortabel.
Diese Rechtslage wird sich durch die Coronakrise nicht verändern. Es ist nicht zu erwarten, dass die Gerichte das „Coronarisiko“ pauschal den Auftraggebern aufbürden werden. Bei einem verzögerten Vergabeverfahren kann man argumentieren, dass der AG das Verzögerungsrisiko trägt, weil er das Verfahren vollständig selbst in der Hand hat. Bei einem komplexen Bauprojekt ist das anders. Die Spielregeln sind im Prinzip dieselben wie oben zu den Bauverträgen erläutert: Wenn der AG die Ablaufstörung verschuldet hat, kann es sein, dass er dafür haftet. Das ist bei Planungsverträgen aber nur in den seltensten Fällen so. Und eine allgemeine Risikozuweisung einer Epidemie an den AG wird es nicht geben.
Das bedeutet für Planungsbüros, dass sie für das möglicherweise gravierende Thema der coronabedingten Ablaufstörungen andere als juristische Wege zur Problemlösung werden suchen müssen. Hier wird Verhandlungsgeschickt gefragt sein, und es werden Nachtragsvereinbarungen auszuarbeiten sein.
Kündigung bei längeren Störungen?
Ebenso wie bei Bauverträgen wird man sagen müssen, dass auch längere Ablaufstörungen, die durch Corona bedingt sind, kein allgemeiner Kündigungsgrund sein werden. Das mag in Extremfällen anders sein, etwa, wenn einem Planungsbüro durch behördliche Quarantäneanordnung keinerlei Personal mehr zur Verfügung steht; aber das werden Ausnahmefälle sein. Für den Regelfall sollten Bauherren wie Planungsbüro präsent haben, dass Planungsverträge nach ständiger Rechtsprechung als langfristige, von Kooperation geprägte Verträge sind und die Kündigung aus wichtigem Grund also die seltene Ausnahme sein wird.
So wie bei Bauverträgen bedeutet das: Falls ein Bauherr das Projekt insgesamt abbrechen sollte, wird das kein wichtiger Grund sein; er wird dann den „entgangenen Gewinn“ bezahlen müssen (Honorar minus ersparter Kosten). Und für Architekten und Ingenieure gilt, dass eine vorschnell erklärte Kündigung zu hohen Schadensersatzverpflichtungen führen kann.