Newsletter Energie Juli 2019

Wärmewende ausgebremst: Stuttgart scheitert vorerst bei der Übernahme des Fernwärmenetzes

Im Urteil des LG Stuttgarts vom 14.2.2019 – 11 O 225/16 ist die Stadt Stuttgart mit ihrer Forderung gegen die EnBW auf Übereignung des Fernwärmenetzes nach Ablauf des Konzessionsvertrages unterlegen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Stadt hat Berufung eingelegt.

Sachverhalt

Der Konzessionsvertrag zwischen der Stadt Stuttgart und der EnBW als Fernwärmeversorger war abgelaufen. Eine sogenannte „Heimfallklausel“ war darin nicht vereinbart. Bei solchen Regelungen ist der Versorger verpflichtet, nach Vertragsende das Netz gegen Entgelt an die Kommune zu übereignen. Häufig sind solche Klauseln Bestandteil von Gestattungs- und Konzessionsverträgen.

Begründung des Gerichts

Das Gericht hat alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen verneint. In kartellrechtlicher Hinsicht führt das Gericht dabei aus: Die Stadt habe keinen Anspruch auf Übereignung oder Beseitigung der Leitungen, weil die EnBW aus § 19 GWB Anspruch auf Einräumung von Leitungsverlegungsrechten habe. Der Gesetzgeber habe in Kenntnis anderer Regelungen für Strom und Gas keine Laufzeitbegrenzung bei Fernwärmegestattungen vorgesehen, demnach darf die Kommune nach Auslaufen des Vertrags den Abschluss eines neuen nicht verweigern. Andernfalls missbrauche sie ihr Monopol über das Wegerecht. Der Versorger ist zwar gegenüber den Endkunden Monopolist, nach Auffassung des Gerichts sei die Netzübernahme durch die Kommune aber dennoch kartellrechtlich nicht geboten, weil dabei nur ein Monopolist durch einen anderen Monopolisten ausgetauscht würde.

Bewertung

Bleibt es bei der Entscheidung, führt das zu Ewigkeitsrechten bei der Wärmeversorgung. Das vermag nicht zu überzeugen.

Zwar trifft es zu, dass 20-jährige Laufzeitbegrenzungen gemäß § 46 Abs. 2 EnWG nur für die Sparten Strom und Gas existieren. Das Gericht berücksichtigt jedoch nicht, dass sich auch im Wassersektor trotz fehlender Laufzeitbegrenzung zunehmend die Auffassung durchsetzt, dass zeitlich unbegrenzte - faktisch ewige - Wasserkonzessionsverträge rechtswidrig sind. Bei 20-jähriger Laufzeit sah der EuGH im Wassersektor noch keinen Grund für Beanstandungen. Die Landeskartellbehörde NRW etwa akzeptiert nur noch Konzessionsverträge mit einer maximalen Laufzeit von 40 Jahren. Sie vertritt die Auffassung, dass eine „praktisch unbegrenzte Laufzeit“ als wettbewerbsbeschränkend und diskriminierend gemäß §§ 19, 20 GWB und dem europäischen Primärrecht (Art. 102 AEUV) unzulässig seien. Dem stimmen weite Teile der juristischen Literatur zu.

Bis zur Liberalisierung des Strom- und Gasmarkts war dieser durch kartellrechtliche Ausnahmeregelungen privilegiert, so dass Marktabschottungen zulässig waren, die sonst strikt verboten sind. Fernwärmeversorgung hatte solche Privilegien nie, sondern stand stets im Wettbewerb. Das Urteil des LG Stuttgart ist angesichts dieser Historie nicht überzeugend, denn danach würden für Fernwärmeversorgung Ewigkeitsrechte bestehen, die nur für die ehemaligen sektoralen Ausnahmebereiche galten und selbst für diese aufgehoben wurden.

Das LG Stuttgart geht fälschlich davon aus, es liege im vorliegenden Fall keine Wettbewerbsbeschränkung vor, weil es sich um ein nicht-ausschließliches Wegerecht handele. Dabei lässt es den entscheidenden Aspekt jedoch außer Acht. Der BGH geht nämlich in ständiger Rechtsprechung zutreffend davon aus, dass die wettbewerbsbeschränkende Wirkung eines Wegerechts nicht von dessen Ausschließlichkeit abhängt, sondern von der abschottenden Wirkung des bestehenden Netzes. Faktisch besteht also Ausschließlichkeit, weil der Aufbau paralleler Netze absolut unwirtschaftlich wäre.

Wir halten das Urteil daher vor allem aus wettbewerbsrechtlichen Gründen für problematisch. Es zeigt jedenfalls deutlich, dass man bei der Gestaltung und Verhandlung von Konzessionsverträgen sehr umsichtig agieren muss.

Das Urteil ist unmittelbar nur für Fälle bedeutsam, in denen keine „Heimfallklausel“ vereinbart wurde. In der Literatur wird die Meinung vertreten, solche Klauseln seien wegen Ausnutzung von Marktmacht missbräuchlich und die Kommune sei aus § 19 GWB verpflichtet, den Vertrag mit dem Netzinhaber zu verlängern oder neu abzuschließen. Nach der Gegenauffassung soll das Wettbewerbsrecht solche Ewigkeitsrechte jedoch gerade verhindern. Höchstrichterlich geklärt ist das bisher nicht.

Kommunen, die eine Netzübernahme im Wärmesektor planen, sollten den Fortgang des Verfahrens im Auge behalten. Kommunen, die im Rahmen der Wärmewende Netze aufbauen (lassen) wollen, sollten sich gut überlegen, wem sie diese Aufgabe übertragen. Setzt sich die versorgerfreundliche Auffassung durch, dann bestehen kaum Chancen, ein Netz zu rekommunalisieren, wenn es einmal in privater Hand errichtet und betrieben wurde. Möchte die Kommune die Steuerungsmöglichkeiten für die Wärmewende und den Einsatz erneuerbarer Energien in der Hand behalten, dann sollte sie besser eigenen Stadt- oder Gemeindewerken die Wärmeversorgung anvertrauen, statt die Entscheidungen - ewig? - einem Privaten zu überlassen.

[GGSC] berät zahlreiche Kommunen und kommunale Unternehmen in rechtlicher sowie betriebswirtschaftlicher Hinsicht beim Aufbau von Wärmeversorgung und der erfolgreichen Einleitung der Wärmewende.

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