§ 13b BauGB ist mit Unionsrecht unvereinbar
Flächen im bauplanungsrechtlichen Außenbereich dürfen nicht im beschleunigten Verfahren ohne Umweltprüfung überplant werden.
Der Fall
Eine anerkannte Umweltvereinigung hatte sich im Rahmen einer Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan gewendet, der an einem Ortsrand einer Gemeinde eine Wohnbebauung festsetzt. Die Aufstellung des Bebauungsplans erfolgte im beschleunigten Verfahren gemäß § 13b BauGB, d. h. ohne Durchführung einer Umweltprüfung.
Die Entscheidung
Das Bundesverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil des zuständigen Verwaltungsgerichtshofs, mit dem das Verfahren noch gebilligt wurde, aufgehoben und den Bebauungsplan für unwirksam erklärt (Urt. v. 18.07.2023 – BVerwG 4 CN 3.22). Der Bebauungsplan sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil er gegen die Vorgaben aus der Richtlinie über die strategische Umweltprüfung (SUP-RL) verstoße. Gemäß Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 der SUP-RL ist zwingend eine Umweltprüfung für Pläne durchzuführen, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Erhebliche Umweltauswirkungen können – gerade auch in den von § 13b BauGB angesprochenen Außenbereichslagen, die unmittelbar an Siedlungsflächen angrenzen – nicht von vornherein generell ausgeschlossen werden. Der durch § 13b BauGB ermöglichte allgemeine uneingeschränkte Verzicht auf eine Umweltprüfung (und auf den Eingriffsausgleich) sei daher unzulässig.
Auswirkungen auf die Praxis
Für die Praxis hat diese Entscheidung erhebliche Konsequenzen. § 13b BauGB darf wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht weiter angewendet werden. Aktuell laufende Bebauungsplanverfahren im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB können nicht in dieser Form fortgesetzt werden. Eine Fortsetzung ist nur im Regelverfahren zulässig bzw. jedenfalls unter Nachholung der erforderlichen Umweltprüfung (samt Eingriffsausgleich).
Bebauungspläne, die im beschleunigten Verfahren aufgestellt, bereits in Kraft getreten und innerhalb der Jahresfrist im Normenkontrollverfahren angegriffen werden (können), leiden an einem beachtlichen Verfahrensfehler. Erkennt die Baugenehmigungsbehörde dies, stellt sich die Frage, ob sie den Bebauungsplan dennoch anwenden und auf dieser Grundlage eine Baugenehmigung erteilen darf bzw. muss. Ihr steht einerseits keine sog. Normverwerfungskompetenz zu; andererseits ist sie an Recht und Gesetz gebunden – und dazu zählen auch Bebauungspläne, solange sie noch nicht von einem Oberverwaltungsgericht für unwirksam erklärt wurden. Die Baugenehmigungsbehörde darf also nicht ohne Weiteres auf Grundlage der §§ 34 bzw. 35 BauGB handeln und über den Bauantrag entscheiden. Sie kann jedoch einen behördlichen Normenkontrollantrag (§ 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 VwGO) stellen – oder mit den Mitteln der Kommunalaufsicht auf die Gemeinde einwirken. Die für die Planung zuständige Gemeinde hat in diesen Fällen Schritte zur Heilung des Bebauungsplans durch ein ergänzendes Verfahren einzuleiten oder muss seine Aufhebung bewirken.
Für Bebauungspläne, die im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB aufgestellt wurden, aber bereits seit über einem Jahr rechtskräftig sind, gilt Folgendes:
Wegen der Systematik der Planerhaltungsvorschriften nach den §§ 214, 215 BauGB werden beachtliche Verfahrensfehler nach einem Jahr unbeachtlich, wenn sie in dieser Zeit nicht gerügt worden sind. Etwas anderes gilt dann, wenn die sog. Ewigkeitsmängel berührt sind. Danach bleiben Mängel im Abwägungsvorgang erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Diese Mängel können inzident im Rahmen von Baugenehmigungsverfahren noch geprüft werden. Trotz der restriktiven Auslegung des Merkmals der Offenkundigkeit durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedarf es stets einer Einzelfalluntersuchung des jeweiligen Bebauungsplanes. Nur dann, wenn - unter anderem je nach Größe des Plangebiets, ggf. auch unter Beachtung der Lage – uneingeschränkt auszuschließen ist, dass erhebliche Umweltauswirkungen mit der Planverwirklichung einhergehen, kommt die Aufrechterhaltung in Betracht.
Das Bauministerium hat angekündigt, eine Heilungsvorschrift mit einer EU-konformen Lösung zur Klarstellung in das BauGB aufzunehmen. Darauf dürfen wir gespannt sein und werden an dieser Stelle weiter berichten.
Beruhigend dürfte sein, dass die Entscheidung auf bereits erteilte (bestandskräftige) Baugenehmigungen keinerlei Auswirkungen hat.