Änderungen von Regeln der Technik in der Gewährleistungsphase – Welche Auswirkungen auf die Mängelbeseitigung?
Die Gerichte müssen sich immer wieder mit der Frage befassen, wie es sich auswirkt, wenn in der Gewährleistungsphase ein Mangel festgestellt wird, sich aber inzwischen die Normen weiterentwickelt haben: Muss die Mängelbeseitigung dann nach alten oder neuen Normen erfolgen? Und kann etwas, das anfangs mangelhaft war, nachträglich als mangelfrei gelten?
Das Problem
Ob ein Werk mangelfrei ist, beurteilt sich in erster Linie nach dem zwischen den Parteien getroffenen Vertrag. Daneben gilt die Einhaltung der Regeln der Technik als stillschweigend vereinbart. Maßgeblich sind dabei die Regeln der Technik zum Stichtag der Abnahme. Nach mangelfreier Abnahme sind Änderungen der Regeln der Technik im Prinzip für den Unternehmer ohne Bedeutung; er muss immer nachbessern.
Anderes kann jedoch gelten, wenn die Leistung bei Abnahme gerade nicht mangelfrei war. Mit dieser Thematik beschäftigte sich jüngst das OLG Frankfurt / M.
Anlass des Rechtstreits war eine mangelhaft gebaute Stahlwangentreppe. Diese war an der untersten Stufe um 6 mm (!) zu niedrig und lag damit unter der nach der einschlägigen DIN-Norm geforderten Mindesthöhe. Der Aufforderung zur Mängelbeseitigung kam der Unternehmer aus Kostengründen nicht nach, da hierfür die gesamte Treppe hätte erneuert werden müssen. Noch während des Klageverfahrens änderte sich dann die einschlägige DIN-Norm, was zur Folge hatte, dass die Stufenhöhe nun den Anforderungen nach der Neufassung entsprach.
Die Entscheidung
Das Gericht entschied zu Gunsten des Unternehmers. Zwar sei die Treppe bei Abnahme mangelhaft gewesen, weil sie unter der nach DIN geforderten Mindesthöhe lag. Der Unternehmer müsse dennoch nicht für den Mangel einstehen, da zum einen die Höhenabweichung für den Benutzer kaum wahrnehmbar sei. Dem stünde ein erheblicher Kostenaufwand für die Mängelbeseitigung gegenüber. Hinzu komme, dass sich die Regeln der Technik nach Abnahme geändert haben. Dies dürfte zwar nicht dazu führen, dass der Mangel entfalle. Allerdings sei eine nachträgliche Änderung in die Abwägung mit einzubeziehen, ob die Nachbesserung unverhältnismäßig ist.
Anderes gilt hingegen, wenn sich die Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Vornahme der Mängelbeseitigungsmaßnahme verschärfen. Hierzu entschied das OLG Stuttgart im Jahr 2011, dass der Unternehmer bei der Mängelbeseitigung die Neufassung der Regeln der Technik zu berücksichtigen habe, wenn sein Werk bei Abnahme mangelhaft war. Kosten, die aufgrund der höheren Anforderungen durch die Fortentwicklung entstehen, habe dann der Unternehmer zu tragen. Dies sei angemessen, weil der Unternehmer zum Zeitpunkt der Abnahme kein mangelfreies Werk erstellt habe. Wenn seine Leistung mangelfrei gewesen wäre, hätte sich das Problem der Normänderung gar nicht gestellt. Wenn er aber seine Vertragspflichten verletze, trage er das Risiko einer nachträglichen Normänderung.
Fazit
Im Ergebnis gilt auch weiterhin, dass die zum Zeitpunkt der Abnahme geltenden Normen einzuhalten sind. Verschärft sich dann nachträglich eine Norm, so muss der Unternehmer bei der Beseitigung eines Mangels im Grundsatz die Anforderungen nach der neuen Norm einhalten und auch die hierfür notwendigen Kosten selbst tragen.
Werden die Anforderungen hingegen heruntergesetzt, kann dies im Einzelfall in die Abwägung mit einfließen, ob eine Mängelbeseitigung nach der alten Norm (jetzt) unverhältnismäßig ist. Hierauf sollte der Unternehmer jedoch nicht vertrauen. Denn bei dem von dem OLG Frankfurt entschiedenen Fall kam hinzu, dass eine kaum wahrnehmbare Abweichung von der einschlägigen DIN-Norm vorlag, die einem hohen Kostenaufwand gegenüberstand.