OLG Jena: Wesentliche Klarstellungen zur Handhabung von Referenzen im Vergabeverfahren
In seinem Beschluss vom 19.02.2025 stellt das OLG Jena klar, dass es für die Anerkennung einer Referenzleistung nicht zwingend erforderlich ist, dass diese zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe vollständig erbracht wurde. Insbesondere bei mehrjährigen Dienstleistungsaufträgen,
deren zeitlicher Verlauf oft zufällig variiert, genügt es, wenn die Leistung bereits über einen längeren Zeitraum hinweg erbracht wurde. Zudem ist es unerheblich, ob die Beauftragung auf einer rechtswidrigen Vergabe basiert (Az.: Verg 10/24).
Sachverhalt
Im Rahmen eines offenen Vergabeverfahrens schrieb die Vergabestelle einen Dienstleistungsauftrag für den Winterdienst und die Störungsbeseitigung auf Bundes- und Landesstraßen im Unstrut-Hainich-Kreis für den Zeitraum vom 01. Oktober 2022 bis zum 30. September 2026 aus.
Nach der Bekanntmachung des Auftrags wurde der Preis als einziges Zuschlagskriterium festgelegt. Zudem legte die Vergabestelle Anforderungen an die Eignung der Bieter fest, die sowohl die wirtschaftliche und finanzielle als auch die technische und berufliche Leistungsfähigkeit betrafen. Im Bereich der wirtschaftlichen Eignung verlangte die Vergabestelle unter anderem die Vorlage einer „Eigenerklärung zur Eignung“. Darüber hinaus mussten die Bieter verschiedene technische Nachweise erbringen, etwa Referenzen für vergleichbare Leistungen, den Nachweis über die Eignung der eingesetzten tauenden Streustoffe sowie den Nachweis der Vorhaltung eines Bereitschaftsdienstes in einem bestimmten Umfang. Ferner waren sie verpflichtet, die Verfügbarkeit von mindestens 1.060 Tonnen Streusalz sowie einer Solelagerkapazität von mindestens 90 Tonnen im Unstrut-Hainich-Kreis nachzuweisen.
Die Antragstellerin machte geltend, dass ihr Anspruch auf Einhaltung der Vergabevorschriften verletzt wurde, da das Angebot des Bieters, der den Zuschlag erhalten hat, die geforderten Referenzen für Winterdienst und Störungsbeseitigung nicht ordnungsgemäß vorlegte und die erforderlichen Lagerkapazitäten für Streusalz und Sole sowie deren sachgerechte Lagerung nicht nachgewiesen wurden.
Entscheidung
Das OLG Jena hob die Entscheidung der Vergabekammer auf und wies den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurück, da es zum Schluss kam, dass der Bieter, der den Zuschlag erhalten hat, seine Eignung ordnungsgemäß nachgewiesen hatte und keine Mängel bei der Aufklärung vorlagen.
Das Gericht führte folgende Argumente an:
- Für die Vergleichbarkeit ist es erforderlich und ausreichend, Referenzleistungen vorzulegen, die der ausgeschriebenen Leistung in einem Maße ähneln, dass sie eine fundierte Schlussfolgerung über die Fachkunde und Leistungsfähigkeit des Bieters auch für die ausgeschriebene Leistung zulassen.
- Die als Referenz angeführte Leistung muss zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe nicht vollständig abgeschlossen sein. Bei mehrjährigen Dienstleistungsaufträgen, deren zeitlicher Verlauf oft zufällig variiert, kann der Nachweis auch dadurch vorgelegt werden, dass die Leistung bereits über einen längeren Zeitraum erbracht wurde.
- Es spielt keine Rolle, ob der Referenzauftrag auf einer festgestellten rechtswidrigen Vergabe basiert.
- Wenn der öffentliche Auftraggeber aufgrund anderer verlässlicher Informationen zu dem Schluss kommt, dass das Angebot eines Bieters weder ungewöhnlich noch unangemessen niedrig ist, darf er auf eine weitere Aufklärung verzichten.
- Dokumentationsmängel können durch geeignete Erläuterungen im Zuge einer Rüge oder im Nachprüfungsverfahren geheilt werden.