Grundlegende EuGH-Entscheidung zu Rahmenvereinbarungen
Der EuGH hat zwei grundlegende Fragestellungen zum Thema Rahmenvereinbarung entschieden.
So dürfen öffentliche Auftraggeber auch dann Einzelaufträge auf Grundlage einer Rahmenvereinbarung abschließen, wenn sie an deren Unterzeichnung nicht bereits beteiligt waren, solange die Anforderungen an die Publizität, die Rechtssicherheit und die Transparenz eingehalten werden. Zudem muss die Rahmenvereinbarung unter Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz von Anbeginn an die Gesamtmenge der Lieferungen und Dienstleistungen bestimmen, in die sich die Einzelaufträge einfügen können.
Zulässigkeit der nachträglichen Beteiligung an einer Rahmenvereinbarung
Dem Urteil lag noch die alte Rechtslage zugrunde. Gemäß Art. 32 Abs. 2 UAbs. 2 der RL 2004/18/EG durften Aufträge, die auf einer Rahmenvereinbarung beruhen (sog. Einzelaufträge), nur zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den Wirtschaftsteilnehmern geschlossen werden, die von Anbeginn an der Rahmenvereinbarung beteiligt waren. Der Wortlaut des Art. 32 Abs. 2 UAbs. 2 Satz 2 der RL 2004/18/EG ist mehrdeutig.
Der EuGH legte die Norm dergestalt aus, dass das Erfordernis, von Anbeginn an der Rahmenvereinbarung beteiligt gewesen zu sein, nur für den Wirtschaftsteilnehmer gilt, nicht jedoch für den öffentlichen Auftraggeber. Das Gericht begründete seine Auffassung mit dem Ziel der Regelung, die Effizienz des öffentlichen Beschaffungswesens zu verbessern, indem durch den Rückgriff auf Rahmenverträge Sammelbestellungen bei öffentlichen Aufträgen gefördert würden, um Skaleneffekte zu erzielen. Diese Sichtweise hat mittlerweile ihren Niederschlag in Art. 33 Abs. 2 UAbs. 2 der RL 2014/24/EU gefunden, sodass die Unklarheit nach aktueller Rechtslage beseitigt ist.
Dementsprechend dürfen andere öffentliche Auftraggeber, auch wenn sie nicht bereits an der Unterzeichnung der Rahmenvereinbarung beteiligt waren, auf deren Grundlage einen Einzelauftrag abschließen. Voraussetzung ist jedoch die Einhaltung der Anforderungen an die Publizität, die Rechtssicherheit und die Transparenz. Dem wird entsprochen, wenn der andere öffentliche Auftraggeber als potenzieller Nutznießer der Rahmenvereinbarung eindeutig und ausdrücklich in den ursprünglichen Ausschreibungsunterlagen – in der Rahmenvereinbarung selbst oder in einem anderen Dokument wie einer Erweiterungsklausel – genannt wird, damit die interessierten Wirtschaftsteilnehmer hiervon Kenntnis erhalten.
Verpflichtung zur Angabe der Höchstmengen in einer Rahmenvereinbarung
Daneben setzte sich der EuGH mit der Frage auseinander, ob in einer Rahmenvereinbarung bereits die Höchstmengen anzugeben sind, die Gegenstand von Einzelaufträgen sein können.
Art. 1 Abs. 5 der RL 2004/18/EG (jetzt Art. 33 Abs. 1 UAbs. 2 der RL 2014/24/EU) definiert den Begriff „Rahmenvereinbarung“ als eine Vereinbarung mit dem Ziel, die Bedingungen für die Einzelaufträge, insbesondere in Bezug auf gegebenenfalls die in Aussicht genommene Menge, festzulegen. Der EuGH vertritt in seinem Urteil die Ansicht, dass der Begriff „gegebenenfalls“ nach dem Sinn und Zweck der Regelung nicht ausdrücken solle, dass die Angabe der Mengen der Leistungen nur fakultativ sei. Vielmehr müsse die Rahmenvereinbarung von Anbeginn an die Höchstmenge der Lieferungen und Dienstleistungen, die Gegenstand der Einzelaufträge sein könnten, bestimmen. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz verlangten, alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen klar, genau und eindeutig zu formulieren. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass das Instrument der Rahmenvereinbarung missbräuchlich angewendet würde, um den Wettbewerb zu behindern, einzuschränken oder zu verfälschen.
Demzufolge muss der öffentliche Auftraggeber auch die Gesamtmenge angeben, in die sich die Einzelaufträge einfügen können. Laut dem EuGH reicht es hierbei nicht aus, lediglich auf den „normalen Bedarf“ potentieller anderer öffentlicher Auftraggeber zu verweisen, weil die Gesamtmenge der Dienstleistungen, die dieser „normale Bedarf“ darstellt, nicht jedem interessierten Wirtschaftsteilnehmer – insbesondere nicht solchen, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind – bekannt ist.
[GGSC] berät regelmäßig öffentliche Auftraggeber bei der Durchführung von Vergabeverfahren. Das Instrument der Rahmenvereinbarung hat sich dabei bei wiederkehrendem Beschaffungsbedarf bewährt und zu sehr guten wirtschaftlichen Ergebnissen geführt.