Zur Zulässigkeit der Vorgabe von Festpreisen
Die VK Berlin hat in einem Beschluss aus dem Jahr 2017 zu der Frage Stellung bezogen, ob ein von dem öffentlichen Auftraggeber in der Ausschreibung vorgeschriebener Festpreis, eine für den Bieter unzumutbare Vorgabe darstellt. Dies hat die Kammer abgelehnt und klargestellt, dass ein Bieter keinen Anspruch auf einen bestimmten, aus Sicht des Bieters angemessenen Festpreis hat (VK Berlin, Beschluss v. 05.01.2017, Az.: VK B 1-34/16).
Der Entscheidung lag ein Vergabeverfahren bzgl. der Versorgung Berliner Schulen mit Mittagessen zugrunde. Der öffentliche Auftraggeber setzte im Rahmen der Angebotsaufforderung einen Festpreis von 3,25 € brutto pro Mittagessen fest. Dies in rechtmäßiger Weise befand die VK Berlin. Die Auffassung der Antragstellerin (AS), nach der der Festpreis aufgrund einer Mindestlohnerhöhung ebenfalls zu erhöhen gewesen sei, teilte die Kammer jedenfalls nicht.
Eine Festpreisvorgabe in der Ausschreibung macht die Kalkulation für Bieter nicht unzumutbar
Die Kammer führte hierzu aus, dass das Verbot, Bietern oder Auftragnehmern (AN) in der Leistungsbeschreibung oder in den sonstigen Vertragsunterlagen ungewöhnliche Wagnisse aufzubürden grundsätzlich nicht mehr bestehe. Nach aktueller Rechtsprechung könnten Regelungen im Einzelfall nur noch unter dem Gesichtspunkt der (Un-) Zumutbarkeit einer für Bieter oder AN kaufmännisch vernünftigen Kalkulation gerügt werden. Vertragsbedingungen, die nach früherer Rechtslage als ungewöhnliches Wagnis angesehen worden seien, seien jedenfalls nicht mehr zwingend unzumutbar. Entsprechend der Rechtsprechung des OLG München (Beschluss v. 06.08.2012) sei vielmehr die Einhaltung zivilrechtlicher Grundsätze maßgeblich, welche einen Missbrauch der Nachfragemacht der öffentlichen AG missbilligen würden.
Vorgaben in den Unterlagen, aufgrund derer eine Kalkulation für Bieter/AN unzumutbar werde (z. B. durch Unklarheiten in den Leistungsbeschreibungen) seien vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Alle kalkulationsrelevanten Bedingungen i. S. v. § 31 VgV seien bekannt und eine Kalkulation vom vorgegebenen Endpreis her deshalb unproblematisch möglich gewesen. Der Festpreis stelle lediglich eine zulässig vorgegebene Rahmenbedingung dar. Die Bestimmung des Beschaffungsbedarfs sei schließlich alleiniges Recht des öffentlichen Auftraggebers. Es liege in der Risikosphäre des Unternehmens, ob dieses bereit sei ein den Bedingungen entsprechendes Angebot abzugeben. Hieran ändere auch eine Lohnkostenerhöhung nichts. Das Risiko, ob überhaupt ein die Leistungsbeschreibungen erfüllendes Angebot abgegeben werde, trage demgegenüber der AG.
Rein begrifflich schon kein Vergaberechtsverstoß
Zudem begründe die Unzumutbarkeit der Kalkulation schon rein begrifflich keinen Vergaberechtsverstoß. Mögliche Gewinnschmälerungen, Imageschädigungen bzw. geringere Zuschlagschancen, die entstehen könnten, weil Bieter aufgrund der Festpreisvorgabe ein Angebot (z. B. mit einem weniger kostenaufwändigen Verpflegungssystem oder geringeren Bioateil) abgeben könnten, welches ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht werde, würden das Leistungsbestimmungsrecht des AG (Stichwort Vertragsfreiheit) unberührt lassen.
Bedeutung für die Praxis
Die Vergabekammer Berlin hat sich damit ausdrücklich zu der Frage der Zulässigkeit von Festpreisvorgaben geäußert. Die zitierte Entscheidung dürfte daher zukünftig eine wichtige Grundlage für die Auslegung von § 58 Abs. 2 S.3 VgV darstellen.
Darüber hinaus sollte sich das Risiko einer Aufhebung des Verfahrens für die Vergabestelle wegen einer Festpreisvorgabe in der Ausschreibung angesichts dieser Entscheidung deutlich reduziert haben.