Newsletter Vergabe Februar 2022

Produktspezifische Ausschreibung – schwierig aber nicht unmöglich

Öffentliche Auftraggeber stehen nicht selten vor dem Problem, dass die Beschaffungsziele und die Anforderungen an einen möglichst unverfälschten Wettbewerb kollidieren.
Gerade bei Ersatzbeschaffungen innerhalb eines Fuhrparks kommt es regelmäßig vor, dass produktspezifische Anforderungen aufgestellt werden, die zu einer Verengung des Wettbewerbs führen. Dies ist nicht per se unzulässig, löst allerdings einen erhöhten Begründungs- und Dokumentationsaufwand aus.

Begründung und Dokumentation entscheidend

Zuletzt hat sich etwa das BayOblG mit den Voraussetzungen einer produktspezifischen Ausschreibung im Rahmen der Beschaffung von LKW, die u.a. für den Winterdiensteinsatz vorgesehen waren, auseinanderzusetzen (Beschluss vom 25.03.2021, Verg 4/21).

Nach § 31 Abs. 6 Satz 1 VgV darf grundsätzlich nicht auf ein bestimmtes Produkt verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte
begünstigt oder ausgeschlossen werden, es sei denn dieser Verweis ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt. Es kommt daher entscheidend auf die Rechtfertigung und ihre Dokumentation an.

Im Ausgangspunkt ist der öffentliche Auftraggeber dabei in seiner Beschaffungsentscheidung frei. Das Vergaberecht regelt demnach nicht, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung.

§ 31 Abs. 1 Satz 1 VgV gibt insoweit vor, dass die Leistungsbeschreibung in einer Weise zu fassen ist, dass sie grundsätzlich allen Unternehmen den gleichen Zugang zum Vergabeverfahren gewährt. Ausnahmen sind aber u.a. dann zulässig, wenn sie durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sind (§ 31 Abs. 6 Satz 1 letzter HS VgV).

Anforderungen an Rechtfertigung hoch

Das BayOblG verlangt in Übereinstimmung mit der herrschenden Auffassung für eine Rechtfertigung einer produktspezifischen Ausschreibung, dass der Auftraggeber objektive und auftragsbezogene Gründe angibt und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen hat und solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass jede Festlegung auf einen bestimmten Hersteller oder ein bestimmtes Produkt wettbewerbsfeindlich ist. Liegen aber die dargelegten Voraussetzungen vor, muss dies der Bieter hinnehmen. Auch steht dem öffentlichen Auftraggeber bei der Einschätzung, ob die Vorgabe eines bestimmten Herstellers gerechtfertigt ist, nach zutreffender Auffassung des BayOblG ein Beurteilungsspielraum zu. Einhellig werde von der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Festlegung nicht zwingend sein muss, ebenso wenig kommt es darauf an, ob das Gericht (oder andere Vergabestellen) anstelle des Antragsgegners eine produktspezifische Vorgabe wählen würde. Die Entscheidung muss aber nachvollziehbar begründet und dokumentiert sein, wenngleich eine vorherige Markterkundung nicht erforderlich ist.

Vielfältige auftragsbezogene Gründe denkbar

In dem vom BayOblG entschiedenen Fall hatte der öffentliche Auftraggeber insoweit alles richtig gemacht. Bereits bei Aufstellung der Leistungsbeschreibung hatte er dokumentiert, aus welchen Gründen er in einigen Positionen des Leistungsverzeichnisses produktspezifische Anforderungen für erforderlich hält. So hatte er etwa ausgeführt, dass ein bestimmtes Terminal nur mit einem Display ausgeführt werden dürfe, da er dies aus Gründen des Arbeitsschutzes und der Verkehrssicherheit für erforderlich halte. Auch Kompatibilitäts- und Kostengesichtspunkte im Hinblick auf den weiteren Fuhrpark des Auftraggebers wurden anerkannt. Anlass von einer willkürlichen Entscheidung auszugehen, konnte das BayOblG daher nicht erkennen.

Auftraggeber sollten daher im Vorfeld der Vergabe sorgfältig prüfen, ob produktspezifische Anforderungen zur Erreichung des Beschaffungsziels erforderlich sind. Sollte dies der Fall sein, ist eine solche Festlegung durchaus zulässig. [GGSC] berät umfassend zum Vergaberecht und unterstützt öffentliche Auftraggeber bei der Durchführung eines rechtskonformen Vergabeverfahrens einschließlich der Einhaltung aller Begründungs- und Dokumentationsanforderungen.

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