Newsletter Vergabe März 2020

Technische Schwierigkeiten gehen nicht immer zu Lasten des öffentlichen Auftraggebers

Treten technische Schwierigkeiten beim Betrieb einer Vergabeplattform (und vor allem bei der elektronischen Angebotsabgabe) auf, so muss – möglichst durch Ermittlung der technischen Ursache - geprüft werden, wessen Risikosphäre sie zuzuordnen sind.

So ist – wie im nachfolgenden Beitrag näher dargestellt – die Versendung der Mitteilung an die nicht berücksichtigten Bieter wohl der Sphäre des öffentlichen Auftraggebers zuzuordnen; etwa auftretende technische Störungen dürften zu seinen Lasten gehen.

Wie das OLG Düsseldorf und die Vergabekammer Südbayern aber nunmehr entschieden haben, können technische Probleme genauso gut in die Sphäre des Bieters fallen oder deren Ursachen gänzlich unaufgeklärt bleiben. [GGSC] kommt bei der Auswertung zu folgenden Schlussfolgerungen: Derjenige, in dessen Sphäre der streitgegenständliche technische Fehler fällt, trägt die Darlegungs- und Beweislast im Nachprüfungsverfahren. Die Unaufklärbarkeit und Nichtbeweisbarkeit einer Fehlerursache geht zu Lasten derjenigen Partei, die sich darauf beruft.

Risikosphäre des öffentlichen Auftraggebers

Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 12.06.2019, VII Verg 8/19) und die Vergabekammer Südbayern (Beschluss vom 14.10.2019, Z3-3-3194-1-15-05/19) haben kürzlich Stellung genommen zur Risikoverteilung bei auftretenden technischen Schwierigkeiten der im elektronischen Vergabeverfahren eingesetzten elektronischen Mittel. In den zugrundeliegenden Streitfällen ging es zum einen um eine klassische Vergabeplattform und zum anderen um ein(en) sog. Bietertool/ client. Bei letzterem besteht die Besonderheit, dass ein Programm auf dem Rechner des Bieters installiert wird. Dieses muss dann mit den Angebotsdaten des Bieters gefüttert werden. Das bloße „Hochladen“ von Angebotsdateien reicht nicht aus. Aus den Entscheidungen lassen sich zusammenfassend folgende Grundsätze ableiten:

Grundsatz: Auftraggeber muss § 11 Abs. 1 und 3 VgV einhalten

Der öffentliche Auftraggeber hat ausweislich des § 11 Abs. 1 VgV dafür zu sorgen, dass die durch ihn eingesetzten elektronischen Mittel allgemein verfügbar und mit allgemein verbreiteten Geräten und Programmen kompatibel sind. Hieraus folgt, dass jedenfalls Programmfehler, die den Bieter an der rechtzeitigen elektronischen Angebotsabgabe hindern zu seinen Lasten gehen, gerade wenn sie ein Hochladen der Dokumente bzw. ein Übermitteln der Inhalte unmöglich machen oder das Bearbeiten und Speichern von Dateien in den Angebotspaketen stören. Dies gilt unabhängig davon, ob der öffentliche Auftraggeber ein Einstellen der Angebote auf einer Vergabeplattform oder die Nutzung eines lokal zu installierenden Bietertools/ clients verlangt. Letzteres/r gehört als Annex zur Vergabeplattform wie die Vergabeplattform selbst in die Risikosphäre des öffentlichen Auftraggebers. Programmfehler muss sich der öffentliche Auftraggeber auch nach § 278 BGB zurechnen lassen, weil er sich der Software eines Dritten, des sog. Erfüllungsgehilfen, bedient.

Daneben hat der öffentliche Auftraggeber den Bietern nach Maßgabe von § 11 Abs. 3 VgV alle zur erfolgreichen Bedienung der eingesetzten elektronischen Mittel erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Daher gehen solche Besonderheiten der Bedienung sowie sonstige Umstände, auf die er hinweisen müsste, zu seinen Lasten. Je komplexer, fehlerträchtiger und weniger selbsterklärend ein Angebotsabgabevorgang gehalten ist, umso detaillierter müssen die Erläuterungen in den Vergabeunterlagen sein. Im Nachprüfungsverfahren trägt der öffentliche Auftraggeber die Feststellungslast dafür, dass er nicht gegen § 11 Abs. 1 oder Abs. 3 VgV verstoßen hat. Ist es dritten Bietern gelungen, ordnungsgemäß und rechtzeitig Angebote abzugeben, kann das gegen die Verantwortlichkeit des Auftraggebers sprechen.

Risikosphäre des Bieters

Der Bieter trägt nach § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2 BGB hingegen grundsätzlich das Übermittlungsrisiko, das heißt, er muss dann für die vollständige Angebotsabgabe innerhalb der Angebotsfrist sorgen. Vom Bieter selbst zu verantwortende technische Schwierigkeiten gehen zu seinen Lasten. Beim Einsatz eines lokal zu installierenden Bietertools/ clients besteht die Besonderheit darin, dass dieses/r in der IT-Infrastruktur des Bieters betrieben wird, die ebenso seiner Risikosphäre zuzurechnen ist. Hier ist es Sache des Bieters, dafür zu sorgen, dass das Programm korrekt installiert ist, aktuell gehalten wird und im erforderlichen Maß mit der Vergabeplattform kommunizieren kann.

Außerdem kann der Bieter gehalten sein, bei technischen Problemen im Zuge des Hochladens von Angebotsdateien umgehend Kontakt mit der Vergabestelle aufzunehmen und diese über seine Schwierigkeiten zu informieren. Die Vergabestelle ist umgekehrt nicht per se verpflichtet, stets und ungefragt beim Bieter aufzuklären, welche technischen Probleme für die fehlerhafte Angebotsabgabe ausschlaggebend gewesen sein mögen.

Risikoverteilung bei Unaufklärbarkeit der Fehlerursache

Kann im Rahmen einer von der Nachprüfungsinstanz vorgenommenen Sachverhaltsermittlung und Beweiserhebung die Ursache für einen technischen Fehler nicht geklärt werden, geht dies nicht automatisch zu Lasten des öffentlichen Auftraggebers. Vor allem gilt dies dann, wenn diesem kein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 oder Abs. 3 VgV nachgewiesen werden kann und eine Ursache in der Sphäre des Bieters „wahrscheinlich“ ist. [GGSC] geht davon aus, dass auch in diesem Fall die allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast gelten. Das Risiko, dass eine Tatsache unaufklärbar bleibt und sich nicht beweisen lässt, trägt dann die Partei, die sich darauf beruft.

[GGSC] berät regelmäßig öffentliche Auftraggeber bei der Durchführung von Vergabeverfahren auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft und hat bereits zahlreiche Vergabestellen erfolgreich in Nachprüfungsverfahren vertreten.

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