Newsletter Vergabe Mai 2021

Strengere Umweltvorgaben für Beschaffungsvorhaben Straßenfahrzeuge

Schon ab Sommer gelten umfassende neue Regeln zu sauberen Fahrzeugen, die durch bestimmte öffentliche Auftraggeber beschafft oder in deren Auftrag nach Vergabe eingesetzt werden: Die Umsetzungsfrist für die EU-Richtlinie „Clean Vehicles“, mit der die Nachfrage von emissionsarmen Straßenfahrzeugen im Rahmen öffentlicher Auftragsvergabe gefördert werden soll, läuft am 2. August 2021 ab.

Dann gelten anspruchsvolle Anforderungen, der bisherige § 68 VgV wird ersetzt. Der Bundestag hat am 5.5.2021 in zweiter und dritter Lesung dem Entwurf in der Fassung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zugestimmt bzw. diesen beschlossen. Das Gesetz soll am 2.8.2021 in Kraft treten.  

Emissionsarme Mobilität über Vergabeaufträge fördern

Die Richtlinie 2019/1161/EU schafft umfangreiche neue Regelungen. Die bisherige Regelung (so z.B. § 68 VgV in Deutschland) bot kaum einen Anreiz für die Beschaffung sauberer und energieeffizienter Fahrzeuge. Die Gewährleistung einer nachhaltigen Verkehrspolitik gehört zu den Hauptzielen der gemeinsamen Verkehrspolitik. So ist die neue Richtlinie Teil der EU-weiten Strategie für emissionsarme Mobilität und ein Mittel, um die Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Bestimmte Sektoren der öffentlichen Aufgabenerfüllung sind sowohl beim Einsatz von Pkw und leichten Nutzfahrzeuge als auch beim Einsatz sog. „schwerer Nutzfahrzeuge“ gefordert.

Mindestziele und erweiterter Anwendungsbereich

Neu ist vor allem die Vorgabe verbindlicher Mindestziele für die Vergabe öffentlicher Aufträge, mit denen die Beschaffung „sauberer“ Straßenfahrzeuge einhergehen soll. Dazu enthält die Richtlinie nunmehr Definitionen für saubere Fahrzeuge (s.u.).

Insbesondere wurde der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie erweitert. Er erfasst nun auch den Abschluss von Kauf-, Miet- und Leasingverträgen von Straßenfahrzeugen sowie die Vergabe von Dienstleistungen, bei denen Fahrzeuge eingesetzt werden: neben Straßenverkehrs- und Personenbeförderungsdiensten werden u.a. auch die Abfallentsorgung oder Post- und Paketzustelldienste in die Pflicht genommen.

Außerdem werden umfangreiche Berichtspflichten für die Mitgliedsstaaten eingeführt.

Ausdifferenzierte Quoten

Konkret enthält der Gesetzesentwurf zwei Referenzzeiträume, für die jeweils feste Quoten für die Beschaffung sauberer Fahrzeuge als Anteil des Fuhrparks gelten. Dabei wird zwischen Pkw, leichten und schweren Nutzfahrzeugen unterschieden.

Pkw und leichte Nutzfahrzeuge werden über Grenzwerte zu CO2- und Luftschafstoffemissionen als saubere Fahrzeuge definiert; schwere Nutzfahrzeuge und Busse hingegen aufgrund der Nutzung alternativer Kraftstoffe. Anwendung findet das Gesetz allerdings nur, wenn die Auftraggeber zu einem Vergabeverfahren nach der Vergabe- oder der Sektorenverordnung verpflichtet sind.

 Folgende Mindestziele sind nach der Richtlinie vorgesehen: für leichte Nutzfahrzeuge 38,5 %, für schwere Nutzfahrzeuge im 1. Referenzzeitraum (02.08.2021-31.12.2025) 10 %, im 2. Referenzzeitraum (01.01.2026 bis 31.12.2030) 15 %. Maßgebliches Datum für die Einordnung in einen der Zeiträume ist das Zuschlagsdatum.

Der Grundsatz, dass die jeweilige Quote pro Fuhrpark gilt, konnte schon nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf, wie er Eingang in den Verkehrsausschuss fand, von den Bundesländern durchbrochen werden:

Nach § 5 des Gesetzesentwurfs dürfen die Länder in ihrem Zuständigkeitsbereich zulassen, dass Auftraggeber die Mindestziele nicht einhalten müssen, wenn die Mindestziele innerhalb des Landes durch andere Auftraggeber übererfüllt werden. Die Mindestziele müssen innerhalb des jeweiligen Landes eingehalten werden. Die Länder können auch untereinander gemeinsame Mindestziele zum Ausgleich bestehender Unter- oder Übererfüllung bilden (§ 5 Abs. 3).

Verbandsforderungen und Befassung des Verkehrsausschusses

Im Verkehrsausschuss wurde jetzt für die schweren Nutzfahrzeuge der Klasse M3 (v.a. Busse ohne Stehplätze) tatsächlich ein Schwellenwert eingezogen, die Verpflichtungen sollen für Aufträge ab 1 Mio. Auftragswert oder 300.000 Jahreskilometer Personenbeförderung bzw. ab 2 Mio. Auftragswert oder 600.000 Jahreskilometer Personenbeförderung greifen, letzteres dann, wenn an Unternehmen vergeben werden soll, die nicht mehr als 23 Straßenfahrzeuge betreiben. Nachträglich eingefügt wurde, wie von den Verbänden gefordert, auch die Möglichkeit der Nutzung synthetischer Kraftstoffe.

Die Kommunalverbände hatten außerdem gefordert, dass die Quote auf Bundesebene summiert und damit gemeinsam erreicht werden kann, statt diese – ungeachtet der strukturellen Voraussetzungen vor Ort – für jede einzelne Beschaffung vorzuschreiben.

Branchenvereinbarungen der Bundesländer möglich – auch länderübergreifend

Die Länder können nach dem beschlossenen Gesetz zudem Branchenvereinbarungen schließen, um die Einhaltung der Mindestziele sicherzustellen. Dies soll sogar länderübergreifend möglich sein, wenn sich mehrere Bundesländer darauf verständigen. Die Länder tragen das Haftungsrisiko für die Nichteinhaltung der Quoten nach dem
Lastentragungsgesetz gegenüber dem Bund.

Nach Inkrafttreten des Gesetzes ist also – ggf. in Grenzen der sog. Branchenvereinbarungen – bei der Ausschreibung der Beschaffung von Straßenfahrzeugen bzw. der Vergabe von Dienstleistungen, die im Einsatz derselben bestehen in den betroffenen Branchen Vorsicht geboten.

[GGSC] berät öffentliche Auftraggeber nicht nur bei der Beschaffung von Straßenfahrzeugen, z.B. solchen des öffentlichen Personennahverkehrs und der Abfallentsorgung, sondern auch bei Verfahren zur Ermittlung von Vertragspartnern, die solche Fahrzeuge im öffentlichen Auftrag einsetzen (z.B. ÖPNV, Abfallentsorgung).

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