Anforderungen für Beauftragung von Rettungsdienstleitungen außerhalb Vergaberecht
Die Privilegierung von gemeinnützigen Organisationen bei der Vergabe von Rettungsdienstleistungen beschäftigt in regelmäßigen Abständen Vergabekammern und Gerichte. Nach europäischem Recht können Rettungsdienstleistungen ausschließlich an gemeinnützige Organisationen vergeben werden; zudem ist das strenge europäische Vergaberecht nicht anzuwenden (Art. 10 h Richtlinie 2014/24/EU).
Im deutschen Recht ist diese Bereichsausnahme in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB geregelt. Hintergrund der Befreiung vom Vergaberecht ist, dass der spezielle Charakter von gemeinnützigen Organisationen, die einen wichtigen Bestandteil des öffentlichen Katastrophen- und des Zivilschutzes ausmachen, bewahrt werden soll. Diese wäre im freien Wettbewerb mit privaten Anbietern kaum möglich.
Beauftragung in Rettungsdienstgesetzen der Länder
Wichtig ist jedoch, dass die Bereichsausnahme keine Direktbeauftragung ermöglicht. Vielmehr ist ein verwaltungsrechtliches Auswahlverfahren durchzuführen. Die meisten Bundesländer haben dafür eigene Regelungen in ihren Rettungsdienstgesetzen geschaffen, z.B. § 10 BbgRettG oder § 14 HmbRDG. Da der Bieter- bzw. Interessentenkreis durch den Auftraggeber von Anfang an auf gemeinnützige Organisationen beschränkt werden darf, stellt sich die Frage, welche Kriterien an die Gemeinnützigkeit erfüllt sein müssen. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat sich dazu bereits im Jahr 2019 (Falck-Entscheidung, Az. C-465/17) geäußert. Jüngst, mit Entscheidung vom 07.07.2022, präzisierte der EuGH das Gemeinnützigkeitskriterium.
Strenge Anforderungen an die fehlende Gewinnerzielungsabsicht
In Frage stand, wie die Anforderung zu verstehen ist, dass die betreffende Organisation „ohne Gewinnerzielungsabsicht“ tätig sein muss. Bereits nach der Falck-Entscheidung steht fest, dass mögliche Gewinne der Einrichtung zur Förderung des Organisationsziels reinvestiert werden müssen.
Im aktuellen Fall vor dem EuGH klagte eine sog. Sozialgenossenschaft in Italien gegen deren Ausschluss aus dem Verfahren zur Vergabe von Rettungsdienstleistungen. Der Ausschluss wurde damit begründet, dass die Sozialgenossenschaft ihren Mitgliedern – wenn auch in geringem Umfang – Rückvergütungen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit gewährt, d.h. finanzielle Vorteile verschaffte, die über die Kostenerstattung hinausgehen.
Der EuGH stellte klar, dass aufgrund der Ausnahme von den vergaberechtlichen Vorschriften die Anforderungskriterien an die Eigenschaft als gemeinnützige Organisationen eng auszulegen sind.
Das bedeutet konkret, dass Gewinne in keinem Fall – auch nicht in geringem Umfang – an Anteilsinhaber oder Mitglieder der Organisation ausgeschüttet werden dürfen. Weiter heißt es auch, dass Einrichtungen, die nach dem Prinzip der Mitarbeiterbeteiligung oder der aktiven Mitbestimmung der Belegschaft an der Führung der Organisation arbeiten, nicht als gemeinnützige Organisationen von der Bereichsausnahme erfasst sind. Mitglieder von gemeinnützigen Organisationen dürfen im Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Vereinigung oder Organisation keinen – auch nur mittelbaren - Gewinn erzielen dürfen.
Folgen für Beauftragungen in Deutschland
Diese EuGH-Entscheidung hat zwar vor allem die italienische Sozialgenossenschaft zum Gegenstand. Jedoch wird zu prüfen sein, ob unter Umständen nicht auch deutsche Ausgestaltungen von gemeinnützigen Organisationen, wie zum Beispiel die gGmbH, davon berührt sind. In jedem Fall dürften öffentliche Auftraggeber, die eine privilegierte Auftragsvergabe an gemeinnützige Organisationen durchführen möchten, künftig noch stärker das Gemeinnützigkeitskriterium und dabei die fehlende Gewinnerzielungsabsicht prüfen müssen.
[GGSC] berät Kommunen und Rettungsdienstträger bei der Vergabe von Rettungsdienstleistungen. Unter anderem erwirkte [GGSC] im letzten Jahr eine Grundsatzentscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg zur Bereichsausnahme.