Tücken des Verhandlungsverfahrens
Für die Vergabestelle kann es bei komplexen Ausschreibungen eine deutliche Verfahrenserleichterung bedeuten, wenn sich ein Verhandlungsverfahren rechtfertigen lässt. Sowohl VgVals auch EU VOB/A stellen hieran hohe Anforderungen. Aber selbst wenn diese überwunden werden können, ist bei der Durchführung von Verhandlungsverfahren Vorsicht geboten. An einigen Stellen lauern Fallstricke. Auf einige sei nachfolgend kurz hingewiesen.
Eckpunkte und Vergabeunterlagen rechtzeitig sorgfältig vorbereiten
Vor Einleitung des Verfahrens sollte sich die Vergabestelle ausreichend Zeit nehmen, um das Verfahren mit ausreichender Gründlichkeit vorbereiten und strukturieren zu können. Es empfiehlt sich – in engem Austausch mit der Vergabestelle, ggf. in Absprache mit dazu eingesetzten, dortigen Arbeitsgruppen – eine möglichst gründliche Erarbeitung von Eckpunkten nicht nur zum Terminplan, sondern auch zu den Rahmenbedingungen des Verfahrens (v.a. Losaufteilung, Eignungs- und Zuschlagskriterien, Anzahl geplanter Verhandlungsrunden, Grundlagen von Vertragsinhalten etc.). Hilfreich ist es zudem, sich bereits in einem frühen Stadium darüber zu verständigen, über welche Inhalte von Verfahrens- und Vertragsbedingungen überhaupt verhandelt werden soll bzw. wie viele Verhandlungsrunden vorgesehen sind.
Will die Vergabestelle ggf. auch ganz von Verhandlungen absehen, sollte sie dies auch dies schon frühzeitig mitteilen. Empfehlenswert ist hier nicht zuletzt die Befassung der Gremien mit solchen Eckpunkten. Danach geht es mit der Erarbeitung der Vergabeunterlagen los, die in aller Regel umfangreicher ausfallen und mehr Zeit beanspruchen als ursprünglich eingeschätzt. Grundsätzlich sollten diese möglichst noch vor der EU-Veröffentlichung und damit der Einleitung des Verfahrens und der Gelegenheit für potenzielle Bewerber, Teilnahmeanträge abzugeben, fertig sein.
Dies wiederum gilt es bei der Erarbeitung des Terminplans zu berücksichtigen.
Vorsicht bei Zuschlagskriterien und Mindestanforderungen
Gleichzeitig müssen Mindestanforderungen sorgfältig formuliert werden: Sie dürfen nachfolgend regelmäßig nicht mehr abgeändert werden. Bei funktionalen Ausschreibungen ist die Vergabestelle gut beraten, hier nur die zentralen Leistungsziele als Mindestanforderungen vorzugeben, um für die Verhandlungen mehr Spielraum zu haben. Ein „Änderungsverbot“ gilt auch für die Zuschlagskriterien nach Eingang der ersten Angebote. Eine fundierte Vorbereitung zahlt sich auch deswegen aus.
Kontinuierliche Dokumentation des Verfahrens
Die Vergabestelle ist überdies gut beraten, jedes Stadium des Verfahrens vom Teilnahmewettbewerb und dessen Auswertung (bis zur Aufforderung der Bieter zur Abgabe eines ersten bzw. indikativen Angebots) über die Auswertung der ersten Angebote und die sich daran ggf. anschließenden Verhandlungen bis hin zur Aufforderung für die Abgabe des letztverbindlichen Angebots und die dortige, entscheidende Auswertung fundiert und kontinuierlich zu dokumentieren.
Die Verhandlungen sollten möglichst zeitnah protokolliert werden. Sollen dort getätigte Aussagen der Bieter verbindlich werden, wird das Protokoll denselben mit der Aufforderung zur Abgabe des letztverbindlichen Angebots zugesandt – ggf. sogar mit der Bitte um Unterzeichnung. Gerade bei Projekten, die mit Fördermitteln finanziert werden, erweist sich eine nachvollziehbare Dokumentation regelmäßig als unabdingbar.
Wichtig. Nachvollziehbare Wertung
Es versteht sich, dass der Auftraggeber zum Schluss des Verfahrens hingehalten ist, bei der Wertung der letztverbindlichen Angebote die vorher veröffentlichten Zuschlagskriterien, deren Unterkriterien und deren jeweilige Gewichtung exakt anzuwenden.
Dazu kann sich die Veröffentlichung eines Bewertungsrasters mit Beispielen empfehlen – gleichzeitig legt sich die Vergabestelle damit fest, obwohl sie dies rein rechtlich in aller Regel nicht muss. Die Bieter können dann aber zielgerecht kalkulieren. Auch von daher muss bei der Festlegung der Zuschlagskriterien und v.a. von deren Gewichtung zu Beginn des Verfahrens genau darauf geachtet werden, die richtigen „Anreize“ für die Erarbeitung der Angebote zu setzen. Dann ist die Wahrscheinlichkeit brauchbarer, belastbarer und wirtschaftlicher Angebote hoch.
[GGSC] berät Vergabestellen bei der rechtssicheren Strukturierung, Vorbereitung und Durchführung von Verhandlungsverfahren sowohl nach VgV (Dienstleistungs- und Lieferaufträge) als auch nach EU VOB/A (Bauvergaben).