Keine allgemeine Vorabinformations- und Wartepflicht bei Unterschwellenvergaben
Kommt es zu einem Zuschlag bei einer Unterschwellenvergabe, sind die Bieter darüber nach der Maßgabe des § 46 UVgO – also im Nachhinein – zu informieren. Ob die Bieter darüber hinaus schon davor über die beabsichtigte Zuschlagserteilung informiert werden müssen, war zuletzt Gegenstand eines Verfahrens vor dem OLG Düsseldorf. Der Senat hat hierbei seine bisherige Rechtsprechung aus dem Jahr 2017 aufgegeben und klargestellt, dass eine Vorabinformations- und Wartepflicht im Unterschwellenbereich nicht besteht. Etwas Anderes gilt, wenn das Landesrecht eigenständige Vorgaben enthält, die den Bestimmungen des GWB nachgebildet sind.
Kein Platz für eine analoge Anwendung von § 134 GWB
Die Vorabinformations- und Wartepflichten (§ 134 GWB) bleiben demnach dem Oberschwellenbereich vorbehalten. Klar war auch bisher bereits, dass der 4. Teil des GWB unmittelbar nur im Oberschwellenbereich gilt (vgl. § 106 Abs. 1 GWB). Unterschiedlich wurde aber beurteilt, ob diese Bestimmungen analog anzuwenden seien. Nach Auffassung des OLG Düsseldorfs in seinem aktuellen Urteil vom 21.06.2023 (27 U 4/22) hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, die Informationspflicht im Unterschwellenbereich auf den Zeitpunkt nach Zuschlagserteilung zu begrenzen. Eine entsprechende Anwendung der Bestimmungen des GWB im Unterschwellenbereich komme daher nicht in Betracht. Es fehle insoweit an einer planwidrigen Regelungslücke. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes. Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet, einen Primärrechtsschutz vorzusehen. Dies hatte das Bundesverfassungsgericht bereits 2006 ebenso bewertet. Für Unterschwellenvergaben im Bund und im Land Nordrhein-Westfalen müssen also derzeit keine Informations- und Wartepflichten beachtet werden.
Keine Nichtigkeit des Vertrages
Das OLG Düsseldorf hat auch verdeutlicht, dass – selbst wenn ein Informationsanspruch wie im Oberschwellenbereich bestehen würde – die Verletzung dieser Pflicht nicht zu einer Nichtigkeit des Vertrages nach § 134 BGB führen soll. Der Senat sieht unter keinem verfassungs- oder europarechtlichen Gesichtspunkt Anlass dafür, den Primärrechtsschutz als zwingend anzusehen. Interessant ist dabei insbesondere, dass lt. OLG Düsseldorf § 134 GWB nur ein einseitiges Kontrahierungsverbot nach sich ziehen soll, sodass im Rahmen der normbezogenen Abwägung die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB nicht zum Tragen kommen könne. Dem Bieter ist es aber selbstverständlich unbenommen, Schadensersatzansprüche geltend zu machen.
Ein notwendiger Richtungswechsel
Die Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung durch das OLG Düsseldorf ist zu begrüßen. § 46 UVgO legt eindeutig fest, wann der Auftraggeber die unterlegenen Bieter worüber zu informieren hat. Den Gesetzgebern auf Bundes- und Landesebene steht es frei, einen Primärrechtsschutz vorzusehen. Verpflichtet sind sie hierzu nicht. Eine ganze Reihe von Bundesländern (etwa Hessen und Rheinland-Pfalz sowie die Freistaaten Thüringen und Sachsen) haben auch im Unterschwellenbereich Nachprüfungsmöglichkeiten bzw. –verfahren eröffnet, die teils hinter denen auf Bundesebene zurückbleiben (z.B. sog. „kleines Nachprüfungsverfahren" im FS Sachsen). Es bleibt abzuwarten, ob sich diese im Rahmen etwa erforderlicher Evaluationen als wettbewerbsfördernd oder lediglich bürokratieerhöhend erweisen.
[GGSC] berät öffentliche Auftraggeber umfassend zum Vergaberecht und unterstützt sie bei der Durchführung eines rechtskonformen Vergabeverfahrens.