Risiken der Festlegung anspruchsvoller Eignungskriterien
Je deutlicher sich eine damit verbundene Wettbewerbsbeschränkung abzeichnet, desto besser müssen sich konkret auf den Auftrag zugeschnittene Eignungskriterien begründen lassen. So wird dies offenbar vom Bayerischen Obersten Landesgericht gesehen, das zu anspruchsvolle Kriterien an die fachliche Eignung für einen Projektsteuerungsvertrag als vergaberechtswidrig eingestuft hat (vgl. BayObLG, Beschluss vom 06.09.2023 –Verg 5/22).
Wettbewerbsbeschränkende Wirkung von Eignungskriterien?
Besonders hohe Anforderungen können danach unangemessen sein, wenn sie wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfalten und diese nicht mehr durch gewichtige Gründe gerechtfertigt ist.
Hohe Anforderungen an den Beleg der fachlichen Leistungsfähigkeit potenzieller Projektsteuerer
Im zu entscheidenden Fall hatte der Auftraggeber für die Projektsteuerung für die Sanierung eines Museums mit einem Schwerpunkt auf Naturwissenschaft und Technik zum Beleg der "Technischen und beruflichen Lei-stungsfähigkeit"
- zum einen mindestens zwei Referenzen über Projektsteuerungsleistungen bei Bauvorhaben mit Baukosten jeweils über mindestens 100 Millionen Euro und einer Leistungszeit von mindestens fünf Jahren gefordert. Eines dieser beiden Referenzprojekte musste ein Sanierungsprojekt sein.
- Darüber hinaus musste eine Referenz beigebracht werden, die die Projektsteuerung der Planung und Ausführung der Neugestaltung von wenigstens drei Einzelausstellungen (Dauerausstellungen) im Rahmen der Sanierung / eines Umbaus eines Gebäudes einschließlich der Betreuung von Schnittstellen zum Bauprojekt und dem Aus- und Einzug der Ausstellungsprojekte zum Gegenstand hatte.
Dies war gerügt worden unter dem ausgesprochenen Verdacht einer beabsichtigten Beschränkung des Teilnehmerkreises: Die Anforderungen entsprachen nämlich exakt dem Beauftragungsumfang des bisher in einem anderen Abschnitt tätigen Projektsteuerers. Die Vergabestelle half der Rüge aber nur teilweise ab.
Rüge und Reaktion
(Nur) auf den zusätzlichen Beleg einer Betreuung der Schnittstelle zum Aus- und Einzug der Ausstellungsobjekte wurde verzichtet.
Das Gericht hielt die Anforderungen für überzogen. Es betonte, dass nur Eignungskriterien aufgestellt werden dürfen, die mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und gleichzeitig zu ihm in einem angemessenen Verhältnis stehen. Die Eignungskriterien müssen geeignet und erforderlich sein, um die Leistungsfähigkeit in Bezug auf den ausgeschriebenen Auftragsgegenstand nachzuweisen.
Anforderungen an Angemessenheitsprüfung und Abwägung
In diese „Angemessenheitsprüfung“ sollen auch die Auswirkungen auf den Wettbewerb einzubeziehen sein. Zeichnet sich ab, dass sie wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfalten, weil nur ein oder wenige Unternehmen sie erfüllen müssen sie durch gewichtige Gründe gerechtfertigt sein. Gerade die Forderung nach Referenzen für drei Dauerausstellungen erachtete das Gericht als unangemessen hoch.
Praxistipp: Abwägung, Begründung und Dokumentation
Im Ergebnis kommt es gerade für den Wettbewerb einschränkende Kriterien also auf eine fundierte, nachvollziehbare Begründung ein. Diese sollte dann wohl tunlichst erkennen lassen, dass dem Auftraggeber eine etwaige wettbewerbsbeschränkende Wirkung bewusst war, er diese aber gegen die besondere Bedeutung der Referenzen abgewogen hat. Natürlich sollte sich diese Bedeutung auch überzeugend begründen lassen. Eine rechtzeitige Dokumentation kann dazu beitragen, die Überzeugungskraft zu fundieren und zu festigen.
[GGSC] lotst öffentliche Auftraggeber durch Angemessenheitsprüfungen - auch für anspruchsvolle Eignungskriterien in Vergabeverfahren.