Umsetzung Verpackungsgesetz: Jetzt geht`s um 100-200 Mio. €!
Bislang stand bei der Umsetzung des Verpackungsgesetzes die Ausgestaltung der LVP-Sammlungen im Vordergrund. Die Ausschreibungen für die LVP-Zeiträume ab 2019 und ab 2020 sind aus Sicht der örE durch. Über den Leistungsgegenstand der LVP-Ausschreibungen für 2021 bis 2023 wird noch zu sprechen sein. Zwischenzeitlich liegen einige Erfahrungen vor, wie insbesondere die Umstellung von Sack auf Tonne umgesetzt werden kann.
Überall drängt sich aber nunmehr die Frage auf, wie halten wir es mit der PPK-Mitentsorgung? Die vielfach eingegangenen Übergangslösungen auf Grundlage bestehender Verträge laufen zum 31.12.2019 aus. Die Vereinbarungen neuer Regelungen der PPK-Mitentsorgung im Rahmen der Abstimmungsvereinbarung sind vielerorts noch gar nicht angegangen worden. Die Systeme halten sich oft noch zurück, das Gespräch zu suchen. Viele örE bemühen sich um Termine. Wo die Verhandlungen angelaufen sind, macht sich schnell Ernüchterung breit, weil die Vorstellungen sehr weit auseinanderliegen.
Was ist los?
Das Verpackungsgesetz eröffnet den örE bekanntlich die Möglichkeit, den Kostenanteil der Systeme für die Mitentsorgung der PPK-Verkaufsverpackungen nicht nach dem Masse sondern nach dem Volumenanteil zu bestimmen. INFA hat im Auftrag vieler örE für Landkreise/kreisangehörige Städte bei Behältersammlung einen Masseanteil von 29% und einen Volumenanteil von 64% als untere Werte ermittelt. Die Spannen über alle Untersuchungsgebiete gehen von 29-34 Gew.-% und 64-71 Vol.-%. Von den Systembetreibern wird erwartet, dass sie mit einiger Verzögerung auch noch ein Gutachten von cyclos vorlegen, das Anteile von 33 Gew.-% und 50 Vol.-% darlegt.
INFA: 64 Vol.-% : 29 Gew.-% = 2,2
cyclos: 50 Vol.-% : 33 Gew.-% = 1,5
Die Vollkostenberechnungen der örE unterscheiden sich nicht unerheblich, aber der Kostenfaktor ist entscheidend.
Modellrechnung bei Vollkosten von 120,00 €/t
120 €/t x Kostenfaktor 2,2 = 264 €/t für den Mengenanteil von 27 Gew.-%
120 €/t x Kostenfaktor 1,5 = 180 €/t für den Mengenanteil von 33 Gew.-%
Ein großer Systembetreiber hat jüngst erklärt, es werden nicht mehr als 50% der Kosten der PPK-Mitentsorgung übernommen, allerdings mit einem Nebensatz, auf den noch einzugehen sein wird.
50% wird nicht aus Sortieranalysen abgeleitet, sondern apodiktisch gesetzt: mehr als 50% der Veranstaltung wollen wir nicht tragen!
[GGSC] Überschlagsrechnung
[GGSC] hat eine überschlägige Rechnung angestellt, über welche Kostenanteile mit Blick auf die gesamte Bundesrepublik gestritten wird.
Geht man unter Zugrundelegung einer Statistik des Bundesamts für Statistik aus dem Jahr 2017 aus, dann lag die Gesamterfassungsmenge von PPK bei privaten Haushaltungen in Deutschland im Jahr 2017 bei 5,675 Mio. Tonnen. Bei durchschnittlichen Vollkosten von 120 €/t (Modellzahl) und einem Kostenanteil von 50% ergibt sich eine von den Systemen zu tragende Gesamtsumme von ca. 340 Mio. Euro. Legt man einen Volumen-/Kostenanteil von 64% zugrunde, so erhöht sich der Kostenanteil der Systembetreiber um 95 Mio. Euro auf ca. 435 Mio. Euro. Würde man hingegen nur einen Masseanteil von 33% heranziehen, ergibt sich eine Kostensumme von ca. 225 Mio. Euro. Die Differenz zur Gesamtsumme bei einem Kostenanteil von 64% beläuft sich also auf 210 Mio. Euro. Ein Prozentpunkt ergibt unter den vorgegebenen Annahmen eine Kostenverschiebung von knapp 7 Mio. Euro auf die gesamte Bundesrepublik gesehen.
PPK-Mitentsorgung ohne Quersubventionierung
Die örE haben das sich verändernde Warenangebot und Konsumverhalten nicht zu verantworten. Die Kostenverteilung bei der PPK-Mitentsorgung muss aber mit dieser Entwicklung Schritt halten. Wer der gesteigerten Inanspruchnahme des Behältervolumens durch PPK-Verkaufsverpackungen nicht Rechnung trägt, erlaubt eine Quersubventionierung zulasten der Gebührenzahler.
Keine Abstimmungsvereinbarung ohne PPK-Regelung
Land auf, Land ab machen die örE deutlich, dass sie sich dem Verpackungsgesetz verpflichtet sehen und neue Abstimmungsvereinbarungen nicht abschließen werden, wenn eine Einigung zu PPK nicht vorliegt. Dabei dürften die Systembetreiber nicht erwarten können, dass sie sich mit einem Volumen Kostenanteil von 50% durchsetzen können, nicht zuletzt weil des entsprechende Gutachten von cyclos bislang noch gar nicht vorliegt. Eine Vielzahl von Sortieranalysen (nicht nur von INFA) weisen alle Werte deutlich über 60% aus.
Widerruf der Systemgenehmigung als letztes Mittel
Die Differenzen bei der PPK-Mitentsorgung verhindern derzeit den Abschluss von Abstimmungsvereinbarungen. Die Systeme pendeln noch zwischen Abwarten und Vorwärtsgehen. Abwarten, wie sich der Streit zu den PPK-Regelungen weiterentwickelt, und Vorwärtsgehen, um günstige Abschlussgelegenheiten zu suchen oder im nächsten Schritt die örE als Verweigerer brandmarken zu können. Die Systembetreiber werden jedenfalls zunehmend nervös, sich den Forderungen der Umweltministerien gegenüber zu sehen, endlich Abstimmungsvereinbarungen nach dem Verpackungsgesetz vorzulegen. Dies verlangt das Verpackungsgesetz bekanntlich spätestens zum 01.01.2021 und spätestens zu diesem Zeitpunkt sind die Länder gehalten, sich zur Frage des Widerrufs von Systemgenehmigungen zu verhalten. Da bleiben also nur noch knapp 18 Monate für den Abschluss von Abstimmungsvereinbarungen und damit für eine Einigung im PPK-Streit. Zur Beilegung wird eine Erhöhung des Kostenanteils der Systembetreiber über 50% erforderlich werden. Der oben angesprochene Nebensatz lautete daher auch sinngemäß: „(…) jedenfalls können mehr als 50% aktuell nicht angeboten werden!“
– Es geht um viel Geld!