Einwand gegen Verbringung auch für behandelte Siedlungsabfälle aus Haushalten
Die zuständige Behörde am Versandort kann einer Verbringung von mechanisch vorbehandelten Siedlungsabfällen widersprechen, auch wenn diese nicht dem Abfallschlüssel 20 03 01 unterfallen, sondern unter die Schlüssel-Nr. 19 12 12 gefasst werden. Dies hat der EuGH für den Fall entschieden, dass die Behandlung die ursprünglichen Eigenschaften der Abfälle nicht wesentlich geändert hat (Urteil vom 11.11.2021, Rs. C- 315/20).
Gemischte Siedlungsabfälle aus Haushalten bleiben zustimmungspflichtig – auch nach Vorbehandlung
Im zu entscheidenden Fall hatte die am „Versandort“ zuständige Behörde in Italien ihre Zustimmung zur Verbringung verweigert bzw. der Verbringung in ein anderes europäisches Land zur Verbrennung widersprochen. Dabei hatte sie sich v.a. auf die Grundsätze des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt (Art. 13 der Richtlinie 2008/98), der Entsorgungsautarkie und der Nähe gemäß Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 gestützt. Die Richtlinie 2008/98 löst die Richtlinie 1013/2006 ab. Diese sieht in Art. 41 vor, dass Bezugnahmen auf die Richtlinie 2006/12 als Bezugnahmen auf die Richtlinie 2008/98 gelten.
Nach Art. 11 Abs. 1 lit. i) der Richtlinie 1013/2006 reicht es aus, dass die Behörde ihre Zustimmung verweigert, weil es sich um „gemischte Siedlungsabfälle aus privaten Haushaltungen (Abfallschlüssel 20 03 01“ handelt. Insoweit wird von der Richtlinie dem Grundsatz der Entsorgungsautarkie und der Möglichkeit, (regionale bzw. nationale) Netze zu bilden, der Vorrang vor einer Verbringung ins Ausland zugemessen, was in § 2 AbrVerbrG aufgegriffen wird. In Art. 3 Abs. 5 dieser Richtlinie wird überdies betont, dass gemischte Siedlungsabfälle zur Verwertung denjenigen zur Beseitigung gleichgestellt werden sollen. Diesen Grundsatz greift auch der Erwägungsgrund Nr. 33 der Richtlinie 2008/98 wieder auf. Auch wenn solche Erwägungsgründe nicht eigentlich Bestandteil der verpflichtenden Regelungen sind, sollen sie nach EuGH zur Auslegung herangezogen werden. Im Streit stand allerdings die Verbringung einer Fraktion von vorbehandelten, gemischten Siedlungsabfällen des Abfallschlüssels 19 12 12.
Für Anwendbarkeit des Verbringungsrechts für gemischte Siedlungsabfälle Abfallschlüssel nicht allein entscheidend
Der EuGH hielt den Wortlaut der o.g. Regelung in Art. 11 der Richtlinie 1013/2006, der sich ausdrücklich auf Fraktionen mit der Schlüsselnummer 20 03 01 bezieht, nicht für entscheidend. Nach seiner Auffassung können auch vorbehandelte Siedlungsabfälle mit der Schlüsselnummer 19 12 12 dem entsprechenden Regime unterfallen, also eine Notifizierungspflicht und ein Widerspruchsrecht der Behörde des „Versendungsstaates“ auslösen. Vom Ziel der Richtlinie her argumentierend stellte der EuGH vielmehr darauf ab, ob und inwieweit mit der Vorbehandlung eine relevante Veränderung der Abfalleigenschaften bewirkt wird. Im zu entscheidenden Fall konnte der EuGH dies nicht erkennen. Dies dürfte auch für Abfallexporte aus Deutschland gelten, auch wenn hier bezogen auf gemischte Siedlungsabfälle aus Haushaltungen in § 2 Abs. 2 AbfVerbrG ebenfalls nur die Schlüssel-Nr. 20 03 01 genannt ist. Es ist also Vorsicht angebracht beim Export vorbehandelter Siedlungsabfälle aus Haushaltungen!
[GGSC] berät die öffentliche Hand in allen Fragen des Abfallrechts – selbstverständlich auch unter Berücksichtigung der europäischen Regeln, die als Grundlage nationaler Bestimmungen herangezogen werden müssen.
Co-Autorin: Rechtsanwältin Fanny Jahnke