Wasserstoff durch Strom aus Abfallbiomasse – aktueller Stand
Im Februar hat die EU-Kommission die Anforderungen an grünen Wasserstoff definiert. Bei der anstehenden Umsetzung in deutsches Recht wird sich zeigen, ob und wie auch Wasserstoff, der mit Strom aus Abfallbiomasse erzeugt wird, auf die nationale THG-Minderungsquote im Verkehr angerechnet werden kann.
Delegierter Rechtsakt der EU-Kommission zu grünem Wasserstoff
Mit dem im Februar 2023 endlich veröffentlichten delegierten Rechtsakt zur Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) hat die EU-Kommission die Anforderungen an erneuerbaren Kraftstoff nicht-biogenen Ursprungs (renewable fuel of non-biological origin, RFNBO) definiert. Wasserstoff wird danach nur als RFNBO anerkannt, wenn er aus zusätzlichen Erneuerbare-Energien-Anlagen stammt und der damit erzeugte Strom in
einem näher bestimmten Zeitfenster zur Erzeugung von Wasserstoff mittels Elektrolyse verwendet wird. Übergangsweise gelten großzügige Fristen, um den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu beschleunigen.
Der Rechtsakt tritt in den nächsten Monaten in Kraft, wenn Parlament und Rat keinen Einspruch erheben. Anschließend muss er in nationales Recht umgesetzt werden. BMUV und BMWK haben dafür eine zeitnahe Novellierung der 37. BImSchV angekündigt.
Die wesentliche wirtschaftliche Bedeutung der Einstufung liegt darin, dass die Hersteller von grünem Wasserstoff die mit dem Inverkehrbringen von Wasserstoff verbundene Treibhausgasminderung an Kraftstoffhersteller verkaufen können. Diese werden durch das BImSchG verpflichtet, die Treibausgasemissionen der von ihnen verkauften Kraftstoffe jährlich um gesetzlich bestimmte Quoten zu vermindern. Dazu haben sie verschiedene Erfüllungsoptionen, etwa die Beimischung von Biokraftstoffen oder der Kauf von THG-Quoten für Elektrofahrzeuge. Eine weitere ist der Kauf von THG-Quoten aus dem Inverkehrbringen von grünem Wasserstoff als Kraftstoff.
Grüner Wasserstoff mit Strom aus Abfallbiomasse?
Für Betreiber von Altholz- und anderen Biomassekraftwerken stellt sich die Frage, ob sie mit dem von ihnen erzeugten grünen Strom künftig mit Hilfe eines Elektrolyseurs grünen Wasserstoff herstellen können. Nur dann können sie neben dem Wasserstoff als Kraftstoff für eigene oder fremde Fahrzeuge auch die durch den Kraftstoffwechsel bewirkte THG-Minderung verwerten und so die Herstellungskosten reduzieren.
Nach nationalem Recht muss die Bundesregierung das ermöglichen: Das BImSchG schreibt seit 2021 vor, dass Wasserstoff, der mit Strom aus Abfallbiomasse hergestellt wird, ab dem 01.07.2023 auf die nationale THG Quote angerechnet wird. Näheres, insbesondere die Anforderungen an die erneuerbaren Energiequellen, soll eine Verordnung regeln.
Um diese gesetzliche Anforderung rechtzeitig umsetzen zu können, muss die Novelle der 37. BImSchV die entsprechenden Regelungen aufnehmen.
Vereinbarkeit mit Unionsrecht?
Im EU-Recht ist die Anrechenbarkeit von grünem Wasserstoff, der mit Strom aus Abfallbiomasse hergestellt worden ist, allerdings bisher nicht vorgesehen. Der delegierte Rechtsakt der EU-Kommission befasst sich nur mit erneuerbaren Kraftstoffen nicht-biogenen Ursprungs. Wasserstoff, der mit Strom aus Abfallbiomasse hergestellt wird, ist biogenen Ursprungs. Verstößt die im BImSchG vorgesehene Anrechnung von solchem Wasserstoff auf die THG-Quote deshalb gegen EU-Recht?
Nein. Nach dem EU-Recht kann zur Einhaltung der EU-rechtlichen Anforderungen zwar kein Wasserstoff angerechnet werden, der mit Strom aus Biomasse hergestellt wurde. Die nationalen THG-Minderungsverpflichtungen gehen aber über die EU-rechtlichen Vorgaben hinaus. Deshalb ist es unschädlich, wenn die nationalen Verpflichtungen auch mit anderen, im EU-Recht nicht vorgesehenen Erfüllungsoptionen wie Wasserstoff, der mit Strom aus Abfallbiomasse hergestellt worden ist, erfüllt werden können, solange die EU-Verpflichtungen allein mit unionsrechtskonformen Mitteln wie RFNBOs erfüllt werden können.
Man darf deshalb gespannt sein, ob die bevorstehende Novelle der 37. BImSchV Wasserstoff, der mit Strom aus Abfallbiomasse hergestellt wird, berücksichtigt. Und nicht nur ob, sondern auch wie, also welche weiteren Anforderungen an die Anrechenbarkeit gestellt werden, um sicherzustellen, dass der zur Wasserstoffherstellung verwendete erneuerbare Strom nicht durch Strom aus fossilen Quellen ersetzt werden muss.
RED II-Revision
Parallel zum Inkrafttreten des delegierten Rechtsakts der EU-Kommission und dessen Umsetzung in nationales Recht verhandeln bekanntlich der Rat, das Parlament und die EU-Kommission um eine Weiterentwicklung der Anforderungen der RED im Rahmen des laufenden Triloges zur RED II-Revision. Das Parlament hat hier generell für eine Einstufung von Wasserstoff, der mit Strom aus nachhaltiger Biomasse erzeugt worden ist, als grünen Wasserstoff votiert. Auch hier darf man gespannt sein, ob und inwieweit diese Position des Parlaments sich in der Endfassung der Richtlinie wiederfinden wird. Die ist dann erst später in nationales Recht umzusetzen.