Keine freie Fahrt für Klimaschutz im Gebührenrecht? Es kommt darauf an …
Nachdem im Mai 2023 die Stadt Tübingen vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) einen Sieg für ihre Verpackungssteuer verzeichnen konnte, ist die Stadt Freiburg im Breisgau nun vor dem Gericht mit dem Versuch gescheitert, Belange des Klimaschutzes auch bei der Bemessung von kommunalen Gebühren zu berücksichtigen (Urt. v. 13.06.2023, Az.: BVerwG 9 CN 2.22). Jedoch lohnt sich ein Blick auf die Details der Entscheidung, da darin keineswegs eine pauschale Absage an die Berücksichtigung klimapolitischer Belange bei der Festsetzung kommunaler Gebühren steckt, sondern für das Votum vielmehr Fragen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage eine Rolle spielten.
Gebührenhöhe je nach Länge des Fahrzeuges
Im Dezember 2021 erließ die Stadt Freiburg im Breisgau eine Bewohnerparkgebührensatzung auf der Grundlage der Delegationsverordnung der baden württembergischen Landesregierung zur Erhebung von Parkgebühren (ParkgebVO) und § 6a Abs. 5a StVG. Die Satzung sah eine nach Fahrzeuglänge gestaffelte Gebührenhöhe für die Ausstellung von Bewohnerparkausweisen vor. Ein Inhaber eines solchen Parkausweises ging mit einem Normenkontrollantrag gegen die Satzung vor; in der zweiten Instanz erklärte das BVerwG diese nun für unwirksam. Das Gericht entschied, die Annahme des VGH Baden-Württemberg aus der vorherigen Instanz, die Ermächtigungsgrundlage ermögliche hier die Verfolgung von weiteren Gebührenzwecken als lediglich der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs, sei nicht mit §6a Abs. 5a StVG und Art. 80 Abs. 1 GG vereinbar. Denn die der Satzung zugrundeliegende ParkgebVO sowie das wiederum dieser zugrundeliegende Bundesgesetz (StVG) sehen weitergehende Gebührenzwecke wie den Klimaschutz nicht vor.
Verhaltenslenkende Zwecke nur bei erkennbarer gesetzgeberischer Entscheidung
Zwar sind als sachliche Gründe für die Gebührenbemessung neben den Zwecken der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs grundsätzlich auch verhaltenslenkende Zwecke anerkannt (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu BVerfG, Urt. v. 19.03.2003, Az.: 2 BvL 10/98). Diese können aber nur dann zur Rechtfertigung der konkreten Gebührenbemessung herangezogen werden, wenn sie nach der tatbestandlichen Ausgestaltung der Regelung von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen werden. Dies folgt auch aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Normenklarheit: Der Gebührenpflichtige muss erkennen können, für welche öffentliche Leistung die Gebühr erhoben wird und welche Zwecke der Gesetzgeber mit der Gebührenbemessung verfolgt. Wählt der Gesetzgeber nun einen eng begrenzten Gebührentatbestand, können in diesen keine weiteren Gebührenzwecke hineingelesen werden. Eine andere Auslegung ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht durch das in Art. 20 a GG enthaltene Klimaschutzgebot geboten. Wichtig ist hier dennoch die Anerkennung des Gerichts, dass die Erhebung von Gebühren mit dem Lenkungsziel, im Interesse des Klimaschutzes CO2-Emissionen zu reduzieren, durchaus verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.03.2021, Az.: 1 BvR 2656/18). Klimaschutzbelange werden jedoch gem. Art. 20a GG in erster Linie durch den Gesetzgeber gewahrt. Durch den Verordnungsgeber, also die Exekutive, erfolgt eine Berücksichtigung nach „Recht und Gesetz“, d.h. immer je nach der entsprechenden Ermächtigungsgrundlage (Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG). Gleiches gilt für § 13 Abs. 1 des Klimaschutzgesetzes (KSG), wonach Träger öffentlicher Aufgaben bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck des KSG und die darin festgelegten Ziele zu berücksichtigen haben. Auch dieses Gebot begründet selbst keine Handlungs- oder Entscheidungsspielräume für Verordnungsgeber.
Konsequenz für die kommunale Abfallwirtschaft
Für Kommunen folgt daraus nicht per se ein Verzicht auf die Berücksichtigung klimapolitischer Belange bei Ausgestaltung ihrer (Abfall-) Gebührensatzungen. Das gilt umso mehr, als zahlreiche Landeskommunalabgaben- und abfallgesetze sich gerade für die Erhebung von Abfallgebühren auch auf Aspekte des Klimaschutzes, wie z.B. die Abfallvermeidung oder die Wiederverwendung und das Recycling, stützten. Das Urteil des BVerwG sollte in erster Linie als Erinnerung verstanden werden, bei der Gebührenbemessung genau auf die jeweilige Ermächtigungsgrundlage – also für örE genau auf die vorgenannten Landesgesetze - zu achten. Im vorliegenden Fall war die Frage nämlich nicht, ob Klimaschutz als (ein) Gebührenzweck zulässig ist oder nicht, sondern, ob dieser Zweck auch in der Ermächtigungsverordnung genannt war. Es sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen umwelt- und klimapolitische Belange in der Ermächtigungsgrundlage genannt sind und dann durch den Verordnungsgeber berücksichtigt werden können. So sieht § 18 Abs. 1 des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes (KAG) vor, dass Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Abfallentsorgung so gestaltet werden können, dass sich daraus nachhaltige Anreize zur Vermeidung, Verwertung und Abfalltrennung ergeben. Nach § 14 Abs. 2 des Sächsischen KAG können bei der Gebührenbemessung umwelt- und rohstoffschonende Lenkungsziele beispielsweise ermäßigend oder erhöhend berücksichtigt werden.
Fazit: Es kommt darauf an!
Die Frage der Zulässigkeit kann auch nach diesem Urteil des BVerwG nur mit der (stets richtigen) Auskunft der Jurist:in beantwortet werden: Es kommt darauf an! Als weiteres Fazit ist Kommunen, die mehr Klimaschutz in ihren Regelungs- und Gebührensystemen wagen wollen, zu raten, die jeweiligen Vorgaben der gesetzlichen Grundlagen im Landeskommunalabgaben- und abfallrecht genau zu studieren und entsprechende Handlungsspielräume auszuschöpfen. Eine intelligente Umsetzung solcher Vorgaben kann zum Erfolg des Gebührenmodells beitragen.
[GGSC berät zahlreiche örE bei der Ausgestaltung von Gebührenmodellen, bei der Satzungsgestaltung und der Gebührenkalkulation.
Co-Autorin: Rechtsanwältin Clara Nicola