Newsletter Bau Februar 2021

Leistung mangelhaft: Fiktive oder tatsächliche Mängelbeseitigungskosten als Schadensersatz

Ob Schadensersatz auf der Grundlage rein fiktiver oder tatsächlich entstandener Mängelbeseitigungskosten zu berechnen ist, bleibt streitig. Selbst innerhalb des Bundesgerichtshofs wird die Frage unterschiedlich beantwortet.

Werkvertragsrecht: (nur) Ersatz der tatsächlichen Kosten der Mängelbeseitigung

Viele Jahre entsprach es der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass der Schadensersatz im Fall einer mangelhaft erbrachten Werkleistung der Höhe nach anhand der für die Mängelbeseitigung voraussichtlich
erforderlichen, aber tatsächlich noch nicht aufgewendeten („fiktiven“) Mängelbeseitigungskosten bemessen werden konnte. Folge war, dass Schäden häufig im Ergebnis gar nicht beseitigt wurden.

Der für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat des BGH hat im Jahr 2018 diese jahreslange Rechtsprechung geändert. Der Auftraggeber, der den Mangel nicht beseitigen lässt, kann im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung seinen Schaden seitdem nicht mehr nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen. Eine Schadensbemessung nach den Mängelbeseitigungskosten kommt nur in Betracht, wenn der Besteller den Mangel tatsächlich hat beseitigen lassen und ihm also für die Mängelbeseitigung auch Kosten entstanden sind (BGH, Urt. v. 22.02.2018, Az.: VII ZR 46/17).

Kaufvertragsrecht: (weiterhin) Ersatz der fiktiven Kosten der Mängelbeseitigung

Der für das Kaufvertragsrecht zuständige V. Zivilsenat hält für das Kaufrecht nach wie vor die Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten bei mangelhafter Leistung für sachgerecht. Von der diesbezüglichen gefestigten Rechtsprechung will er nicht abweichen und hat daher den VII. Zivilsenat nunmehr gebeten, zu erklären, ob er an seiner Rechtsauffassung bezüglich der Ermittlung des Schadens mit den tatsächlichen Mängelbeseitigungskosten festhalten werde.

Entscheidung durch den Großen Zivilsenat des BGH

Die Antwort des VII. Zivilsenat des BGH lautet: ja (Beschluss vom 08.10.2020 (VII ARZ 1/20).

Nun muss der Große Zivilsenat des BGH entscheiden. Der Große Zivilsenat des BGH ist immer dann zuständig, wenn einzelne Senate des BGH unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten. Wir erwarten also mit großer Spannung, wie der Große Zivilsenat diese Rechtsfrage entscheiden wird. Folgende Konstellationen sind möglich:

  • Der Große Zivilsenat kann sich der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats anschließen und sowohl im Kaufvertragsrecht als auch im Werkvertragsrecht den kleinen Schadensersatz im Falle einer mangelhaften Leistung allein auf tatsächlich angefallene Mängelbeseitigungskosten beschränken.
  • Der Große Zivilsenat kann sich auch der Rechtsauffassung des V. Zivilsenat anschließen und sowohl im Werkvertragsrecht als auch im Kaufvertragsrecht zukünftig wieder die Ermittlung des kleinen Schadensersatzes im Falle einer mangelhaften Leistung auf der Grundlage fiktiver Mängelbeseitigungskosten zulassen.
  • Zuletzt ist aber auch möglich, dass der Große Zivilsenat aufgrund dogmatischer Unterschiede im Kauf- und im Werkvertragsrecht zu dem Schluss kommt, dass die Rechtsauffassungen der beiden Zivilsenate parallel weiter fortbestehen können. Es ist also auch denkbar, dass im Ergebnis im Kaufrecht im Fall einer mangelhaften Leistung ein Schadensersatz aufgrund fiktiver Mängelbeseitigungskosten möglich ist, im Werkvertragsrecht aber nicht.

Fortsetzung folgt.

Weitere Artikel des Newsletters

Kombibürgschaften, die Erfüllungs- und Mängelansprüche in einem Dokument absichern, sind für Bauherrn meist nicht das Papier wert, auf dem sie stehen. Dies wurde durch zwei aktuelle Urteile wieder einmal bestätigt.
weiter
Gibt es im Werkvertrag klare Vorgaben zum Leistungssoll, so führt der Umstand, dass bei einem Bemusterungstermin teilweise mit anderen Materialien gearbeitet wurde, nicht dazu, dass nunmehr plötzlich diese anderen Materialien geschuldet sind.
weiter

Veranstaltungen