Vorsicht bei Bemusterungsterminen
Gibt es im Werkvertrag klare Vorgaben zum Leistungssoll, so führt der Umstand, dass bei einem Bemusterungstermin teilweise mit anderen Materialien gearbeitet wurde, nicht dazu, dass nunmehr plötzlich diese anderen Materialien geschuldet sind.
Der Fall
Ein Bauherr beauftragte einen Unternehmer mit umfangreichen Sanierungsmaßnahmen. Nach dem Vertrag sollten auch Sonderelemente aus Weißglas verbaut werden. Im Bemusterungstermin wurden Sonderelemente mit einer grauen Beschichtung aus Keramikfarbe vorgestellt. Die Sonderelemente bei der Bemusterung waren allerdings aus Grünglas.
Nach dem Bemusterungstermin teilte der Auftraggeber schriftlich mit, dass er sich für den Pinselauftrag der Keramikfarbe aus der Bemusterung entschieden habe. Im bestätigten Nachtragsangebot und in der Abschlagsrechnung war das Material – wie auch schon im Vertrag – als Weißglas, veredelt mit grauer Keramikfarbe, bezeichnet. Verbaut wurde dann jedoch Grünglas mit grauer Keramikfarbe. Der Auftraggeber verweigert die Bezahlung, weil er Weißglas mit grauer Keramikfarbe haben wollte.
Die Entscheidung
Das OLG Naumburg als Vorinstanz gab noch dem Unternehmer recht, der BGH mit Beschluss vom 26.02.2020 (VII ZR 89/19) dann dem Bauherrn. Das OLG hatte angenommen, dass der gemeinsame Termin zur Bemusterung des einzubauenden Materials habe dienen sollen. Der BGH machte deutlich, dass es auf die Auslegung der Vertragsunterlagen und seines Sinngehaltes ankommt. Die Verwendung von Weißglas war seit jeher im Vertrag so bestimmt und auch Gegenstand des bestätigten Nachtragsangebotes sowie der Abschlagsrechnung. Insofern sollte es bei dem Bemusterungstermin erkennbar nur um die Details zur Beschichtung, nämlich dem Pinselauftrag mit grauer Keramikfarbe, gehen. So hatte es der Bauherr im Prozess auch vorgetragen.
Folgerungen
Ähnlich hatten in der Vergangenheit auch schon das OLG Schleswig (Urteil vom 18.08.2017, 1 U 11/16) und der BGH (Beschluss vom 05.06.20218, VII ZR 200/17) entschieden: Durch die Freigabe eines Produktes im Rahmen einer Bemusterung werden die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses nicht verdrängt, selbst dann, wenn der Bauherr bei der Bemusterung die Abweichungen vom Leistungsverzeichnis erkennen konnte. In dem dortigen Bemusterungstermin sollten allein farbliche Abweichungen zwischen den alten Bestandsfliesen und den neuen Fliesen abgestimmt werden. Die neuen Fliesen bei der Bemusterung hatten jedoch eine andere Oberfläche mit einer anderen Rutschfestigkeit als die alten Fliesen und die Fliesen gemäß Leistungsverzeichnis. Oberflächen und Rutschfestigkeit waren jedoch gar nicht Gegenstand der Bemusterung, so dass durch die Bemusterung auch keine Änderung des Leistungssolls hierzu eintreten konnte.
Anders sieht es dann aus, wenn sich aus dem Vertrag und/oder dem zugrundeliegenden Leistungsverzeichnis ergibt, dass eine vereinbarte Beschaffenheit zur Glasfarbe der Sonderelemente, der Oberflächen oder der Rutschfestigkeit gerade erst in einem Bemusterungstermin definiert werden soll. Das war in den vorgestellten Fällen aber nicht der Fall. Eine von den Parteien vorgenommene Bemusterung verdrängt die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses also dann, wenn die Bemusterung die geschuldete Werkbeschaffenheit erst endgültig festlegen soll. Bauherr und Unternehmer sollten sich regelmäßig vor einem Bemusterungstermin ausdrücklich darüber abstimmen, was denn überhaupt bemustert werden soll und was als vertraglich gesetzt gilt.