Newsletter HOAI Juli 2019

Auswirkungen auf laufende Projekte

Bei Projekten, in denen vor dem 04.07.2019 Planungsaufträge ausgelöst wurden, muss man danach differenzieren, was für Honorarvereinbarungen die Vertragspartner getroffen haben; die Rechtslage kann sich je nachdem stark voneinander unterscheiden:

Schriftliche Verträge mit formal korrekter Honorarvereinbarung

Am einfachsten zu beurteilen sind Verträge, in denen eine Honorarvereinbarung enthalten ist, die allen Anforderungen von § 7 HOAI entspricht; also eine schriftliche (zwei Unterschriften auf einem Dokument), „bei Auftragserteilung“ (also nicht Wochen oder Monate später) entstandene Vereinbarung, die den Mindestsatz einhält. Einfaches Beispiel: ein Architektenvertrag über ein Gebäude; im Vertrag vereinbaren die Parteien die Abrechnung nach HOAI-Parametern, anrechenbare Kosten, Honorarzone, Honorarsatz, Leistungsphasen etc.

Bei diesen Verträgen ändert sich überhaupt nichts. Die Vereinbarung ist und bleibt wirksam; das gesamte Projekt wird nach dieser Honorarvereinbarung abgewickelt. Das ist soweit eindeutig.

Verträge mit Mindestsatzunterschreitung

Enthält der Vertrag zwar eine Honorarvereinbarung, aber diese unterschreitet den Mindestsatz, dann gerät man in den Strudel der streitigen Rechtslage wie oben erläutert (Beispiel: Es wird ein Pauschalhonorar vereinbart, später ergeben sich aber höhere anrechenbare Kosten; das Mindesthonorar nach HOAI läge folglich höher.

Nach einigen Fachautoren soll sich gar nichts ändern, es bestehe dann nach § 7 HOAI unverändert Anspruch auf das Mindesthonorar, weil das EuGH-Urteil eben keine direkte Auswirkung habe. Nach anderen Stimmen scheide ab sofort eine Nachberechnung von Mindestsätzen aus, weil man spätestens vor Gericht damit kein Gehör mehr finden könne, denn die Gerichte als Teil der Bundesrepublik seien gehindert, den Mindestsatz zuzusprechen, wenn der EuGH ihn für EU-widrig halte.

Komplizierter wird es dort, wo an dem Vertrag nur Privatpersonen beteiligt sind, also keine öffentlichen Auftraggeber. Hierzu gibt es Stimmen, die mit guten Argumenten sagen, EU-Richtlinien hätten in Streitigkeiten zwischen Privaten keinerlei rechtliche Relevanz. Was in diesen Fällen gilt, ist also unklar. Auch dann sind aber gerichtliche Auseinandersetzungen riskant (dazu unten mehr).

Ferner stellt sich in diesen Konstellation die berechtigte Frage, ob es irgendeinen Vertrauensschutz für Altfälle geben muss. Auch so etwas gibt es in der Rechtsprechung des EuGH, aber nur in seltenen Ausnahmefällen. Dem jetzigen Urteil des EuGH ist dazu nichts zu entnehmen.

Deshalb muss man wohl sagen: Wer ab jetzt, Stand Sommer 2019, noch Mindesthonorare durchsetzen will, geht ein hohes Risiko ein. Im Zweifel dauert das ohnehin so lange, dass in der Zwischenzeit die HOAI angepasst wird und dann nicht einmal mehr die bisherige gesetzliche Lage besteht. Dieser Weg ist also nicht zu empfehlen.

Verträge ohne schriftliche Honorarvereinbarung

Anders kann die Lage dort sein, wo es entweder gar keine oder nur eine formal mangelhafte Honorarvereinbarung gibt. Beispiele sind rein mündliche Aufträge oder Beauftragungen per Fax oder per E-Mail („Hiermit beauftragen wir Sie gemäß Ihrem Angebot vom …“) Solche Aufträge sind zwar im Regelfall durchaus wirksam, aber die Festlegungen zum Honorar halten das Schriftformgebot in § 7 HOAI nicht ein.

Dieses Schriftformgebot hat mit dem EuGH-Verfahren nichts zu tun und verstößt auch nicht gegen EU-Recht. Folgerichtig hat das Landgericht Hamburg dazu im Mai 2019 entschieden, dass solche formnichtigen Honorarvereinbarungen ganz unabhängig vom EuGH-Verfahren unwirksam sind. Gibt es aber keine wirksame Honorarvereinbarung, so richte sich das Honorar nach dem BGB. Dann besteht Anspruch auf die „übliche“ Vergütung, und die sei jedenfalls im Jahr 2019 deckungsgleich mit dem HOAI- Mindestsatz, denn der sei nun einmal üblich.

Wenn also die Honorarvereinbarung an einem solchen formalen Mangel leidet, wäre jedenfalls nach dieser (aus unserer Sicht sehr gut vertretbaren) Auffassung trotzdem das Mindesthonorar zu zahlen.

Verträge mit verspäteter Honorarvereinbarung

Genau dasselbe würde gelten, wenn die Honorarvereinbarung zwar schriftlich getroffen wird, aber zu spät. § 7 HOAI regelt seit jeher, dass Festlegungen zur Honorarhöhe „bei Auftragserteilung“ getroffen werden müssen, also in dem Moment, in dem eine bindende Vereinbarung entsteht. Dieser Moment kann unter Umständen Monate vor der Unterzeichnung des schriftlichen Vertrages liegen; dann käme die Honorarvereinbarung zu spät.

Auch in diesem Fall wäre die Honorarvereinbarung unwirksam, aus Gründen, die mit dem EuGH-Verfahren nichts zu tun haben. Auch dann würde also die (wie gesagt: sehr gut vertretbare) Rechtsprechung des Landgerichts Hamburg greifen, wonach über den Umweg des BGB im Ergebnis trotzdem der Mindestsatz zu zahlen ist, jedenfalls derzeit noch.

Gestufte Beauftragungen

Für Verträge mit gestuften Beauftragungen gelten keine Besonderheiten: Entweder die Honorarvereinbarung ist wirksam; dann gilt sie für alle Stufen; oder sie ist unwirksam, dann gelten die obigen Erläuterungen zu den unterschiedlichen Fallgruppen.

Weitere Artikel des Newsletters

Was gilt, wenn eine Honorarforderung streitig ist? Hier muss man zwei Konstellationen unterscheiden: Fälle, zu denen bereits ein Gerichtsverfahren anhängig ist; und Fälle, in denen bisher „nur“ über das Honorar diskutiert oder außergerichtlich gestritten wird.
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