Auswirkungen auf streitige Honorarforderungen?
Was gilt, wenn eine Honorarforderung streitig ist? Hier muss man zwei Konstellationen unterscheiden: Fälle, zu denen bereits ein Gerichtsverfahren anhängig ist; und Fälle, in denen bisher „nur“ über das Honorar diskutiert oder außergerichtlich gestritten wird.
Laufende Gerichtsverfahren
In laufenden Gerichtsverfahren droht den klagenden Planungsbüros im schlimmsten Fall der Totalverlust, und zwar dort, wo sich die Klage ausschließlich auf den Mehrbetrag bezieht, der durch das Mindestsatzgebot entsteht. Beispiel: Es wird ein Pauschalhonorar von 50.000 € vereinbart; der gesetzliche Mindestsatz beträgt aber 150.000 €; das Planungsbüro klagt 100.000 € ein und stützt das allein auf den gesetzlichen Mindestsatz.
In solchen Fällen besteht die Gefahr, dass die Gerichte ab sofort dem Mindestsatz keine Verbindlichkeit mehr beimessen. Ob die Gerichte im Einzelfall Vertrauensschutz gewähren werden, ist sehr fraglich. Dem Urteil des EuGH ist dazu wie gesagt nichts zu entnehmen.
In dem schon erwähnten Urteil des LG Hamburg hat das Gericht dieses Problem elegant gelöst und sich über den Umweg über das BGB auf den Standpunkt gestellt, der Mindestsatz sei die übliche Vergütung im Sinne des BGB. Das funktioniert aber allenfalls in den Fällen, wo die Honorarvereinbarung formale Mängel hatte (siehe oben).
Setzen sich Klageforderungen hingegen zusammen aus einem Resthonorar gemäß Vertrag und ferner einem darüber hinausgehenden Mindesthonoraranteil, so wird jedenfalls das vertragliche Honorar unverändert zu klären sein, denn das hat mit dem EuGH-Urteil nichts zu tun.
Wenn schließlich in Gerichtsverfahren nur über Honoraranteile gestritten wird, die mit dem Mindestsatz nichts zu tun haben, werden die Gerichte an der Klärung dieser Honoraranteile ebenfalls nicht vorbeikommen. Das kann Honorar für Besondere Leistungen, für Umplanungen und Wiederholungsleistungen oder ganz simpel Zusatzhonorare nach den Honorarvereinbarungen im Vertrag betreffen.
Streitige Honorarforderungen, die noch nicht eingeklagt sind
Aus den erläuterten Gründen kann man Planungsbüros jedenfalls in der jetzigen Schwebephase nicht empfehlen, Klageverfahren einzuleiten, in denen man Mindestsatzhonorar zusätzlich zum vertraglich vereinbarten verlangt. Für solche Klagen wird es nach dem 04.07.2019 wohl keinen Vertrauensschutz mehr geben, ganz abgesehen davon, dass sich durch die mittelfristig anstehende Rechtsänderung auch noch das Gesetz und damit die Entscheidungsgrundlage für das Gericht ändern wird.
Solche streitigen Forderungen muss man also entweder außergerichtlich verhandeln, oder es gibt Wege, die Zusatzforderung anders zu begründen als mit dem Mindestsatz. So werden z.B. die Honorare für Änderungs- und Wiederholungsleistungen meist deutlich unterschätzt. Wenn ein Auftraggeber solche Leistungen veranlasst, gibt es dafür unabhängig vom Urteil des EuGH Zusatzhonorar. Der Honorarmaßstab mag sich ändern, aber der Grundsatz, dass man für vertragliche Zusatzleistungen auch Zusatzhonorar zahlen muss, ändert sich nicht.
In anderen Projekten mag es ferner Verlängerungen der Planungsphase oder der Bauphase gegeben haben. Das kann unabhängig vom HOAI-Mindestsatz nach vertraglichen oder gesetzlichen Regelungen zu spürbaren Mehrforderungen führen. Dies bedarf selbstverständlich einer detaillierten Prüfung im Einzelfall; aber im Prinzip kann man in solchen Konstellationen auch in Zukunft Honorarforderungen durchsetzen, unabhängig vom HOAI-Mindestsatz.