Newsletter Vergabe Dezember 2024

Gesamtvergabe bleibt Ausnahme – auch bei Zeitdruck

Die Frage der Gesamtvergabe von Bauleistungen sorgt immer wieder für Diskussionen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 21. August 2024 (Verg 6/24) hat einmal mehr deutlich gemacht, dass die Gesamtvergabe von Bauleistungen nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig ist. Insbesondere werden an die Begründung einer solchen Vergabe hohe Anforderungen gestellt, um das Gebot der Fachlosbildung nicht zu unterlaufen. Diese Entscheidung des OLG Düsseldorf rückt die rechtlichen und wirtschaftlichen Grenzen der Gesamtvergabe in den Fokus.

Der Fall

In dem zugrundeliegenden Fall schrieb ein Auftraggeber die Erneuerung eines hochfrequentierten Autobahnabschnitts aus. Ziel war es, das Bauprojekt als Gesamtvergabe durchzuführen. Eine Fachlosvergabe wurde ausgeschlossen, was insbesondere mit der Verkürzung der Bauzeit begründet wurde. Weitere Argumente des Auftraggebers waren die angestrebte Wirtschaftlichkeit der Beschaffung, die Verringerung von Sicherheitsrisiken und Umweltbelastungen sowie die Vermeidung von Kompatibilitätsproblemen. Ein an einzelnen Leistungen interessiertes Unternehmen beanstandete diese Entscheidung und zog nach einer erfolglosen Rüge vor die Vergabekammer. Die Vergabekammer entschied zugunsten des Auftraggebers; das OLG Düsseldorf hob die Entscheidung auf.

Die Entscheidung

Nach dem OLG Düsseldorf soll die Gesamtvergabe in diesem Fall rechtswidrig gewesen sein. Der Auftraggeber habe keine ausreichenden technischen oder wirtschaftlichen Gründe gemäß § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB vorgebracht, die den Verzicht auf die Fachlosbildung rechtfertigen. Insbesondere könne der volkswirtschaftliche Nutzen einer Bauzeitverkürzung nicht als wirtschaftlicher Vorteil für den Auftraggeber selbst betrachtet werden. Zwar sei es grundsätzlich erlaubt, solche Effekte in der Gesamtabwägung zu berücksichtigten, sie können jedoch keinen ausschlaggebenden Grund für die Gesamtvergabe darstellen. Darüber hinaus kritisierte das OLG, der Auftraggeber habe lediglich (einseitig) die Vorteile einer Gesamtvergabe hervorgehoben und keine hinreichende Abwägung der Nachteile vorgenommen.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf macht deutlich, dass die Gesamtvergabe nur in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich ist. Auftraggeber müssen die Gründe für eine Abweichung von der Fachlosvergabe präzise darlegen und dokumentieren. Pauschale Begründungen reichen nicht aus. Denn eine Abkehr vom zentralen Gebot der Fachlosvergabe erfordert eine sorgfältige Abwägung und eine überzeugende Rechtfertigung.

Mit den im aktuellen Entwurf des Transformationsgesetzes (Stand Kabinettsbeschluss) geplanten Änderungen auch an § 97 Absatz 4 GWB wird dieses Prinzip zwar nicht aufgegeben, jedoch zukünftig wohl in bestimmten Fällen stärker flexibilisiert. Neu ist die ausdrückliche Aufnahme „zeitlicher Gründe“ als mögliche Rechtfertigung für eine Gesamtvergabe. Dies kann beispielsweise bei gesamtgesellschaftlich besonders dringlichen Projekten wie Klimaschutz- oder Infrastrukturvorhaben relevant werden. Gleichzeitig wird der Beurteilungsspielraum der Auftraggeber gestärkt, sodass sie pragmatische und projektspezifische Entscheidungen treffen können. Ungeachtet dessen bleibt die Losbildung auch danach der Regelfall.

Aktuell würden zeitliche Gründe zur Rechtfertigung nicht ausreichen und bedürfen Ausnahmen vom Losprinzip jedenfalls einer fundierten, sachgerechten Begründung und Dokumentation.

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