Newsletter Vergabe Januar 2022

Herausforderungen bei Gründung von ÖPP-Unternehmen

Im Entsorgungsbereich kommt es nicht selten vor, dass Kommunen ihre hoheitlichen Entsorgungsleistungen an ein Gemeinschaftsunternehmen vergeben, an denen sie mehrheitlich (regelmäßig 51 %) beteiligt sind. In dem Fall wird zugleich mit der Vergabe der Entsorgungsleistungen die Beteiligung eines Privatunternehmens (regelmäßig 49 %) an diesem Gemeinschaftsunternehmen mitausgeschrieben. Die Komplexität eines solchen Vergabeverfahrens, die möglichen gewerblichen Betätigungsfelder des Gemeinschaftsunternehmens sowie das Kommunalrecht stellen die Beteiligten vor Herausforderungen. Das OLG Rostock hat sich zuletzt sehr ausführlich mit verschiedenen Aspekten solcher Vergabeverfahren befasst (OLG Rostock, Beschluss vom 30.09.2021, Az.: 17 Verg 3/21).

Ausgangslage vor dem OLG Rostock

Dem Beschluss des OLG Rostock lag zugrunde, dass ein Landkreis Abfalllogistikleistungen verbunden mit einer Beteiligung eines privaten Partners an dem gemeinsamen Unternehmen mit 49 % als öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP) im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ausschrieb (Laufzeit: 10 Jahre mit Verlängerungsoption). Die Bieter sollten im Angebot zudem u.a. ein Konzept vorlegen, wie das Gewerbegeschäft des Gemeinschaftsunternehmens ausgestaltet sein kann. Der obsiegende Bieter schlug zu letzterem die Ausgründung einer eigenen Tochtergesellschaft vor, an der sich das Gemeinschaftsunternehmen mit 74,9 % beteiligen könne (Share Deal). Das Gewerbegeschäft beinhaltete nach dem Angebot des Bieters auch Tätigkeiten außerhalb des Landkreises.

Kommunalrecht nicht bieterschützend

Nicht unumstritten ist, ob kommunalrechtliche Vorschriften in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren gerügt werden können. Dahinter verbirgt sich die Frage, ob Kommunalrecht bieterschützend sein kann. Im konkreten Fall verneinte dies das OLG Rostock: Der unterlegene Bieter rügte, dass das (gewerbliche) Tochterunternehmen über den Landkreis hinaus örtlich tätig sein sollte. Dies sei ein Verstoß gegen das Örtlichkeitsprinzip nach §§ 68 ff.  Kommunalverfassung M-V (KV M-V). Dem Gericht zufolge fällt  jedoch die Einhaltung kommunalrechtlicher Vorschriften allein in die Risikosphäre des öffentlichen Auftraggebers und entfaltet keinen Bieterschutz. Dies gilt auch dann, wenn die Beachtung gesetzlicher Vorschriften als Mindestanforderung explizit in den Vergabeunterlagen enthalten ist. Eine Rügemöglichkeit bestünde somit nur, sofern in den Vergabeunterlagen ein „Mehr“ – als ohnehin im Gesetz vorgesehen ist – verlangt wird. Daneben stellt das Gericht auch klar, dass laut §§ 68 ff. KV M-V sog. Annextätigkeiten eines kommunalen Gewerbegeschäfts auch außerhalb des eigenen Landkreises zulässig seien. Konkreter wird das Gericht an dieser Stelle nicht.

Keine Ausschreibungspflicht für Tochtergesellschaften ohne Auftragsbezug 

Von praktischer Relevanz dürfte sein, wenn ÖPP-Gemeinschaftsunternehmen wiederum (Unter-)Gesellschaften gründen, in denen ihr Gewerbegeschäft abgewickelt werden soll. Die (mittelbare) Beteiligung Privater an solchen Tochtergesellschaften ist nicht ausschreibungspflichtig, wenn damit nicht eine öffentliche Auftragsvergabe – wie z.B.  hoheitliche Entsorgungsleistungen – verbunden sind. Das bedeutet: Der Aufbau bzw. die Durchführung des gewerbswirtschaftlichen Geschäfts muss von der Auftragsvergabe  getrennt sein. Das OLG Rostock bringt es wie folgt auf den Punkt: „Die Gründung einer ÖPP-Gesellschaft ist nur insoweit ausschreibungspflichtig, als sie mit dem öffentlichen Auftrag ein unteilbares Ganzes bildet.“

Weitere vergaberechtliche Punkte

Der genannte Beschluss ist auch deshalb sehr lesenswert, weil er zu einer Reihe von vergaberechtlichen Klassikern Stellung bezieht, mit denen öffentliche Auftraggeber oft konfrontiert werden. Das betrifft u.a. die Frage nach dem Ausschluss von Bietern aus dem Verfahren oder auch den Umgang mit Rügen, die „ins Blaue hinein“ erfolgen, ohne dass belastbare Anhaltspunkte für Fehler vorgetragen werden. Interessant ist auch, dass das Gericht betont, es sei der Verhandlungsvergabe zu eigen, wenn sich einzelne Aspekte des ausgeschriebenen Auftrags im Laufe der Verhandlungen noch verändern und sich die ursprünglichen Vertragsentwürfe noch entwickeln. Eine Gratwanderung dürfte es dennoch sein, da dem Gleichbehandlungsgebot gegenüber allen Bietern auch in den Verhandlungen stets Rechnung zu tragen ist.

Fazit

Die Gründung von ÖPP-Gemeinschaftsunternehmen und deren Beauftragung mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben kann durchaus Vorteile, wie z.B. Effizienzgewinne und/oder die Entlastung der öffentlichen Haushalte bieten. Die gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung und Eingrenzung der möglichen Aufgaben sollte vor der Ausschreibung gut überlegt werden. Das Vergaberecht bietet durchaus Spielraum für die notwendigen Ausschreibungen. Stets davon zu trennen, ist die Frage nach der Zulässigkeit des Vorhabens nach Kommunalrecht. Ob kommunalrechtliche Vorgaben in einem Vergabenachprüfungsverfahren beanstandet werden können, ist dagegen zweifelhaft. 

Co-Autor: Rechtsanwalt Felix Brannaschk

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