Konzeptverfahren zur Grundstücksvergabe können Vergaberecht und Zuständigkeit der Vergabekammer unterfallen!
Die Vergabekammer des Landes Berlin hat in einem noch laufenden Vergabenachprüfungsverfahren die Anwendbarkeit des Vergaberechts auf und ihre Zuständigkeit für die Vergabe von landeseigenen Grundstücken in Konzeptverfahren bejaht.
[GGSC] vertritt in dem Vergabenachprüfungsverfahren (Az.: 82-40/21) vor der VK Berlin einen unterlegenen Bieter, der gegen die beabsichtigte Zuschlagserteilung vorgeht. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Rechtlicher Hintergrund
Ein öffentlicher Auftrag, der dem Vergaberecht unterfällt, ist gemeinhin ein entgeltlicher Vertrag eines öffentlichen Auftraggebers zur Beschaffung von Leistungen. An einer „Beschaffung“ fehlt es regelmäßig aber dann, wenn die öffentliche Hand selber Leistungen auf dem Markt anbietet, etwa den Abschluss von Miet- oder Pachtverträgen. Gleiches gilt für Grundstücke, welche die öffentliche Hand zum Kauf oder auf der Grundlage eines Erbbaurechts zur Verwertung des eigenen Vermögens auf den Markt wirft.
Ein dem Vergaberecht unterliegender Bauauftrag liegt bei Grundstücksgeschäften der öffentlichen Hand unter anderem nur dann vor, wenn eine Gegenleistung vereinbart werden soll, mit der sich ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse für den öffentlichen Auftraggeber verbindet. Eine bloße Bauverpflichtung für das Grundstück dürfte hierfür nicht ausreichend sein. Anders sieht es aber aus, wenn der öffentliche Auftraggeber das Grundstücksgeschäft so ausgestaltet, dass damit eine öffentliche Zweckbestimmung sichergestellt wird und er hierfür Merkmale der Bauleistung festlegt oder zumindest entscheidenden Einfluss auf die Planung der Bauleistung nehmen kann, vgl. etwa zuletzt EuGH, Urteil vom 22.04.2021, C-537/19.
Berliner Konzeptverfahren
In dem hier streitgegenständlichen Konzeptverfahren des Landes Berlin hat das Land den Abschluss eines Erbbraurechtsvertrages für ein landeseigenes Grundstück einschließlich Bauverpflichtung mit europaweiter EU-Bekanntmachung für eine Bauvergabe nach EU-VOB/A auf den Markt gegeben. Da der Erbbauzins nach den Berliner Vorgaben feststeht, sollten die Bieter Konzepte und Planungen vorlegen, welche von einem Bewertungsgremium gemäß vorher den Interessenten mitgeteilter Zuschlagsmatrix hinsichtlich der städtebaulichen Qualität, der architektonischen Qualität, der Freiraumqualität, des lokalen Mehrwerts, der Nutzungsmischung der Arbeitsräume für Künstler/Kulturschaffende sowie der Mobilität und der Ressourceneffizienz bewertet werden.
Das Land Berlin stellte in den Ausschreibungsunterlagen diverse Anforderungen und Zielsetzungen an Städtebau, Architektur, Freiraumplanung und Ökologie auf. Ein besonderer Schwerpunkt galt dem Nutzungskonzept, damit „mit dem Ort ein angemessener Bereich zu einem attraktiven, belebten und nutzungsgemischten Eingangsbereich zum Stadtviertel mit Marktplatzcharakter“ geleistet werden kann. Zu den Anforderungen des Nutzungskonzeptes gehörte etwa, dass Räumlichkeiten für Künstler und Kulturschaffende (z.B. Ateliers, Proberäume für Musik) in einem Umfang von mindestens 400 Quadratmetern Bruttogeschossfläche geschaffen werden. Die Flächen für diese Nutzungsart müssen nach den Ausschreibungsunterlagen über die gesamte Laufzeit des Erbbaurechtsvertrages zur Verfügung stehen, Planungsdetails für die Ateliers und die Probenräume wurden vorgegeben. Die Pflichten aus dem Nutzungskonzept sind nach dem vorgegebenen Erbbaurechtsvertrag vertragsstrafenbewehrt, einschließlich Unterwerfung hinsichtlich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Auch wäre bei Verstößen in letzter Konsequenz der Heimfall, mithin die Rückgabe des Erbbaurechts, möglich.
Rechtliche Einordnung der Vergabekammer Die Vergabekammer machte deutlich (rechtliche Hinweise vom 26.11.2021), dass der Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts und die Zuständigkeit der Kammer vorliegend eröffnet sein dürften: Insbesondere dürfte das vorliegende Konzeptverfahren insoweit eine „Beschaffung“ darstellen, als das Land Berlin konkrete Anforderungen sowohl in baulicher als auch vor allem hinsichtlich des Nutzungskonzepts (künstlerisch/kulturelle Nutzung auf mindestens 400 Quadratmeter über die gesamte Laufzeit des Erbbaurechts) aufgestellt habe.
Praxishinweis
Seit 2021 werden landeseigene Grundstücke im Land Berlin ausschließlich in derartigen Konzeptverfahren vergeben. Vorliegend hatte das Land Berlin die Ausschreibung selber als offenes Verfahren nach EU-VOB/A gestaltet und auf die Zuständigkeit der Vergabekammer hingewiesen. Aber auch wenn dies nicht geschieht, kommt es inhaltlich darauf an, ob mit der Veräußerung bestimmte Pflichten beim Käufer oder Erbbauberechtigten verbunden sind, mit denen eine öffentliche Zweckbestimmung verbunden ist. Das können bestimmte Vorgaben zur kulturellen Nutzung, aber auch zum Städtebau sein, die über die Bestimmungen eines Bebauungsplanes hinausgehen. Der Anwendungsbereich des Vergaberechts eröffnet ein formalisiertes Verfahren zur Überprüfung und Akteneinsichtsrechte, was für mehr Transparenz, mehr Wettbewerb und einen effektiven Rechtsschutz in diesem wirtschaftlich bedeutsamen Bereich begrüßenswert ist.
Co-Autor: Rechtsanwalt Christinan Steinhäuser