Tauschähnliche Umsätze bei Entsorgungsdienstleistungen
Aus der Perspektive des Umsatzsteuerrechts stellt die Entsorgung werthaltiger Abfälle (z.B. Altmetall) regelmäßig eine Dienstleistung dar, bei der „tauschähnliche Umsätze“ erzielt werden. Bemessungsgrundlage für die Erbringung der Entsorgungsleistung ist in diesem Fall der Wert des zu entsorgenden Abfalls. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nunmehr für gefährliche Abfälle entschieden, dass es keinen tauschähnlichen Umsatz darstellt, wenn ein Entsorgungsunternehmen gefährlichen Abfall zum ausschließlichen Zweck der gesetzlich angeordneten Entsorgung übernimmt, auch wenn es einen möglichen Wiederverkauf der durch die Verwertung gewonnenen Stoffe kalkulatorisch als Preisnachlass zugunsten der Abfallerzeuger/-besitzer berücksichtigt hat (Urt. v. 18.04.2024, Az.: V R 7/22).
Sachverhalt
In dem Fall ging es um ein Entsorgungsunternehmen, das gefährliche Abfälle (hier: verunreinigte Chemikalien) annahm und diese einem Verwertungsverfahren nach KrWG/ Anlage 2 zuführte. Die Abfallerzeuger/-besitzer erhielten einen Nachweis für die fachgerechte Entsorgung und bezahlten ein Entgelt, das je nach Grad der Verunreinigung bzw. Verwendungsart der Chemikalien variierte. Das Entsorgungsunternehmen sammelte die Chemikalien bis zum Erreichen einer bestimmten Menge und unterzog diese sodann einem Aufbereitungsprozess mit dem Ziel, die Verunreinigungen zu lösen und die Chemikalien als Regenerat zu veräußern. Ob die Chemikalien in o.g. Sinne aufbereitet werden konnten, zeigte sich aber erst hinterher; im Fall einer fehlgeschlagenen Aufbereitung musste das Entsorgungsunternehmen die Chemikalien auf eigene Kosten thermisch entsorgen lassen.
BFH: Dienstleistung statt tauschähnlicher Umsatz
Das Finanzamt und das Finanzgericht München erkannten in der angebotenen Dienstleistung einen tauschähnlichen Umsatz. Die nach erfolgreicher Aufbereitung mögliche Weiterveräußerung erhöhe den Wert der verunreinigten Chemikalien, was bei der Bemessung der Umsatzsteuer zu berücksichtigen gewesen wäre.
Der BFH hob das Urteil des Finanzgerichts München im Revisionsverfahren auf und stützte sich dabei im Wesentlichen auf die folgenden Erwägungen:
Eine – den tauschähnlichen Umsatz begründende – „Lieferung“ des gefährlichen Abfalls an den Entsorgungsunternehmer liege nicht vor, da die Chemikalien ausschließlich zum Zweck der ordnungsgemäßen Entsorgung an das Unternehmen als beauftragten Dritten übergeben worden seien. Dass das Unternehmen die Chemikalien einem Aufbereitungsprozess unterzog, an dessen Ende die mögliche Gewinnung von Regeneraten stehe, sei als lediglich untergeordnete Handlung zum Erhalt der Entsorgungsleistung zu betrachten.
Auch lassen sich die Chemikalien dem BFH zufolge nicht als marktfähige Handelsware einordnen, da diese als gefährliche Abfälle nach einem in Anlage 2/ KrWG benannten Verwertungsverfahren entsorgt werden müssen und der unbefugte Handel mit gefährlichen Abfällen strafbewehrt sei (§ 326 Abs. 1 StGB).
Dem BFH zufolge reicht es für die Annahme einer (den tauschähnlichen Umsatz begründenden) Lieferung auch nicht aus, dass das Entsorgungsunternehmen von der Werthaltigkeit der gefährlichen Abfälle ausgegangen sei. Der für eine steuerbare Leistung erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt könne nur durch ein auf eine Lieferung gerichtetes Rechtsverhältnis begründet werden. Dieses liege aber nicht vor, wenn das Entsorgungsunternehmen etwaige Verkaufserlöse lediglich in seiner internen Kalkulation der Entsorgungspreise
berücksichtigt.
Fazit
Die Entscheidung des BFH zeigt, dass Entsorgungsdienstleistungen, an deren Ende die Vermarktung eines (im Entsorgungsprozess gewonnenen) Produktes steht, nicht zwangsläufig zur Annahme tauschähnlicher Umsätze führen müssen. Wie immer kommt es auf den Einzelfall an. Leistungsbeziehungen mit Entsorgungsunternehmen sind daraufhin zu prüfen, ob die Höhe der für die Entsorgung vereinbarten Barvergütung von dem überlassenen Abfall abhängt (z.B. indem der Entsorgungspreis an Marktverhältnisse gekoppelt eine Beteiligung des Auftraggebers an Veräußerungserlösen vereinbart wird) bzw. die übernommene Entsorgung die Barvergütung für die Lieferung des Abfalls darstellt. Ist dies nicht der Fall, kann auch bei werthaltigen Abfällen das Vorliegen eines tauschähnlichen Umsatzes im Einzelfall verneint werden.
[GGSC] berät öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger regelmäßig zur Anwendung der Regelungen des Umsatzsteuergesetzes auf Entsorgungsdienstleistungen.