Zombie-Systembetreiber entscheidet über Vertrag mit örE
Abstimmungsvereinbarungen werden zwischen Systembetreibern und örE verhandelt. Die Systembetreiber lassen sich dabei von einem Gemeinsamen Vertreter repräsentieren. Über das Ergebnis stimmen die Systeme nach § 22 Abs. 7 Satz 2 VerpackG ab. Die
Abstimmungsvereinbarung kommt zustande, wenn – neben dem örE – mindestens 2/3 der Systeme zustimmen. Im Zweifel kommt es auf jede Stimme an.
Befremdlich ist es somit, wenn ein System nie operativ tätig wird, aber gleichwohl an solchen Abstimmungen teilnimmt. Noch befremdlicher wird es, wenn das System seine Genehmigung zurückreicht, aber gleichwohl weiter an den Abstimmungen teilnimmt. So aber offenbar die Praxis in einem aktuellen Fall.
Systemgenehmigung – aber keine operative Tätigkeit
Mit entsprechenden Bescheiden in allen Bundesländern hatte ein Unternehmen die Systemgenehmigung nach § 18 VerpackG im Jahr 2021 erhalten, in der Folge jedoch zu keinem Zeitpunkt seine operative Tätigkeit aufgenommen. Folglich hatte es weder Verträge mit den Herstellern und Vertreibern von Verkaufsverpackungen abgeschlossen, noch hatte es – mangels entsprechender Mengen – Zahlungen für Mitbenutzungsentgelte an örE geleistet. Gleichwohl hatte es an Abstimmungen über den Abschluss von Abstimmungsvereinbarungen (einschl. Anlagen 7) teilgenommen und diese auch abgeschlossen.
Rückgabe der Genehmigung – aber Tätigkeit ohne Genehmigung
Im Dezember 2023 teilte das System den zuständigen Landesbehörden jeweils mit, dass sich das Unternehmen zum 31.12.2023 mit einem weiteren System verschmelzen und unwiderruflich die Genehmigung gem. § 18 VerpackG zum 31.12.2023 zurückgeben werde. Der formale Widerruf der Genehmigung durch die zuständige Landesbehörde erfolgte – je nach Bundesland – erst in den Monaten darauf.
Trotz der „unwiderruflichen Rückgabe zum 31.12.2023“ nahm das System aber offenbar in den Folgemonaten noch an Abstimmungen über den Abschluss von Abstimmungsvereinbarungen teil. Zwar ist das Abstimmungsverhalten des betreffenden Systems nicht bekannt, es ist aber nicht auszuschließen, dass schon die bloße Teilnahme des Systems das konkrete Ergebnis der Abstimmung nach § 22 Abs. 7 Satz 2 VerpackG unzulässig beeinflusst hat. Denn das nach der vorgenannten Vorschrift vorgesehene Quorum von 2/3 der Systeme verschiebt sich naturgemäß durch die Anzahl aller in einem Bundesland zugelassenen Systeme. Beteiligen sich z.B. 11 Systeme, ist das notwendige Quorum schon bei (7,33 =) 7 Systemen erreicht, bei 12 Systemen jedoch erst bei 8 Systemen.
Rechtswidriges Verhalten und mögliche Folgen
Schon nach dem eigenen Rechtsverständnis des Systems lag zum 01.01.2024 keine Genehmigung mehr für das System vor.
Da das System aber auch nach dem 31.12.2023 noch Handlungen vorgenommen hat, die nur einem genehmigtem System zustehen, nämlich insbesondere an der gem. § 22 Abs. 7 Satz 2 VerpackG vorzunehmenden Abstimmung über die Abstimmungsvereinbarung teilgenommen hat, hat das Unternehmen bzw. der nach UmwG übernehmende Rechtsträger insoweit weiterhin ein System betrieben, für das nach seinem eigenen Verständnis ab dem 01.01.2024 keine Genehmigung mehr vorlag. Das Betreiben eines Systems ohne Genehmigung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 VerpackG stellt jedoch nach § 36 Abs. 1 Nr. 18 VerpackG eine Ordnungswidrigkeit dar. Zuständig für das Ordnungswidrigkeitenverfahren ist die nach Landeskreislaufwirtschaftsrecht zuständige Behörde.
Verfälschte Abstimmungen
Sodann kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Unternehmen bzw. der nach UmwG übernehmende Rechtsträger durch die Teilnahme an Abstimmungen über die Zustimmung zur Abstimmungsvereinbarung wie oben beschrieben das notwendige Quorum i.S.d. § 22 Abs. 7 Satz 2 VerpackG verändert und damit – je nach Abstimmungsverhalten – in rechtswidriger Weise verhindert/ermöglicht hat, dass es (nicht) zu einer Abstimmungsvereinbarung gekommen ist. In der Folge liegt – je nach Abstimmungsverhalten – eine oder keine Abstimmungsvereinbarung vor, hätte das System (richtigerweise) nicht an der Abstimmung teilgenommen. Folglich ist zu prüfen, ob es infolge der rechtswidrigen Teilnahme im Zeitraum 01.01.2024 bis zum jeweiligen Zugang des formalen Widerrufsbescheides doch zu einer Abstimmungsvereinbarung/Anlage 7 für einen örE gekommen ist. Liegt keine Abstimmungsvereinbarung für das Gebiet eines örE vor, besteht nach § 18 Abs. 3 Satz 1 VerpackG die Möglichkeit des Widerrufs der Systemgenehmigung. Auch hierfür ist die nach Landeskreislaufwirtschaftsrecht zuständige Behörde zuständig. Entsprechend ergibt sich eine Annexkompetenz der Systemgenehmigungsbehörde, auch Abstimmungen unter den Systemen über die Zustimmung zur Abstimmungsvereinbarung mit dem Ziel zu überprüfen, ob eine für die Systemgenehmigung (und ihren Fortbestand) erforderliche Abstimmungsvereinbarung vorliegt.
Notwendige Änderung der Vollzugspraxis
Für künftige vergleichbare Fälle wäre zu überlegen, ob entweder gegenüber dem die Rückgabe erklärenden System eine Klarstellung erfolgt, dass dieses bzw. sein Rechtsnachfolger keinerlei Tätigkeiten gem. VerpackG – also auch nicht der Teilnahme an Abstimmungen über die Zustimmung zur Abstimmungsvereinbarung nach § 22 Abs. 7 Satz 2 VerpackG – mehr nachgeht, die allein genehmigten Systemen vorbehalten ist. Oder es erfolgt eine Information der örE über die bereits erfolgte Rückgabe der Genehmigung.
Ein etwaiger Verweis darauf, dass die Verschmelzung zum gegebenen Zeitpunkt öffentlich bekannt war, ist zwar mit Blick auf die Publikationswirkung des Registers juristisch zutreffend. In der Praxis ist jedoch nicht zu erwarten, dass örE fortwährend das Register daraufhin überprüfen, ob sich in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht Veränderungen an den Systemen ergeben haben.
Ferner gibt der Fall Anlass zu überprüfen, ob Systeme möglicherweise allein oder überwiegend zu dem Zweck gegründet werden, Abstimmungen über die Zustimmung nach § 22 Abs. 7 Satz 2 VerpackG zu beeinflussen, da sich wie ausgeführt durch die Systemgenehmigung das Quorum verändert. Sofern der Hauptzweck der Einrichtung eines Systems – nämlich die operative Rücknahme von Verkaufsverpackungen – nicht verfolgt wird, sind betreffende Systeme zu untersagen bzw. Genehmigungen nach § 18 VerpackG zu widerrufen.