Vorsicht beim Abschluss von Netzverträgen für Windenergie- und Solaranlagen-Update
Wie im [GGSC] Energie-Newsletter Oktober 2021 berichtet, setzt sich die Rechtsprechung zuletzt intensiver mit den vertraglichen Anforderungen an Nutzungsverträge für Windenergie- und Solaranlagen auseinander.
Zuletzt hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) in mehreren Parallelverfahren (Urteile vom 22. Oktober 2021 – V ZR 225/19, V ZR 8/20, V ZR 44/20 und V ZR 69/20) mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen in eine Freiland-Photovoltaikanlage eingebaute Module Gegenstand besonderer Rechte sein können.
Dieser Aspekt hat regelmäßig für die Finanzierung (Begründung von Sicherungsrechten der finanzierenden Bank), einen möglichen Weiterverkauf (vor allem der Anlagenbestandteile, sog. Asset-Deal) oder die Refinanzierung über sog. Anlegermodelle (Beteiligung an einer bestimmten Erzeugungskapazität, einschließlich Mitbenutzungsrechten an der Unterkonstruktion) eine entscheidende Bedeutung. Wird ein Modul der Verbindung mit bei der Unterkonstruktion bzw. eine Unterkonstruktion bei der Verbindung mit dem Grundstück ein wesentlicher Bestandteil i.S.v. § 94 BGB, scheiden derartige Absicherungen, Verkäufe oder Beteiligungsmöglichkeiten aus.
BGH – Sonderrechtsfähigkeit ist gegeben, entscheidend Ausgestaltung im Einzelfall
Der BGH musste vorliegend klären, ob und unter welchen Voraussetzungen die Photovoltaikanlage (PV-Anlage) selbst – und damit die Module als Teile dieser – ggf. nach § 94 Abs. 1 BGB wesentliche Bestandteile des Grundstücks werden. Entscheidend dafür ist, dass die Anlage mit dem Grundstück nicht fest verbunden ist, jedenfalls aber als Scheinbestandteil i.S.v. § 95 BGB anzusehen ist. Eine Eigenschaft als Scheinbestandteil lässt sich regelmäßig dadurch begründen, dass die PV-Anlage auf der Grundlage eines notwendig vor Baubeginn abgeschlossenen Nutzungsvertrages zwischen Grundstückseigentümer und Betreibergesellschaft und/oder aufgrund einer vom Eigentümer zugunsten der Betreibergesellschaft bewilligten beschränkten persönlichen Dienstbarkeit errichtet wurde. Besonders wichtig ist in einem Nutzungsvertrag die Vereinbarung, dass die Betreibergesellschaft die Module zum Ende der Vertragslaufzeit abbaut.
In den vom BGH zu entscheidenden Verfahren ging es dagegen zusätzlich um die Frage, ob die Module wesentliche Bestandteile einer Gesamtanlage gem. § 93 BGB und dadurch Bestandteil des Grundstücks geworden waren. Dieser Ansatz überrascht. Ein wesentlicher Bestandteil eines Grundstückes gem. § 93 BGB entsteht nur dann, wenn Bestandteile einer Sache nicht voneinander getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird. In dieser Konstellation können die betroffenen Anlagenbestandteile nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. Sowohl hinsichtlich der Module als auch der Gestelle wird aber eigentlich in der Praxis selbstverständlich davon ausgegangen, dass eine entsprechende Trennung möglich ist.
BGH – Prüfung im Einzelfall, ob Rechte an den Modulen bei Verbindung untergehen
Der BGH geht allerdings davon aus, dass die Module nach § 93 BGB wesentliche Bestandteile der Gesamtanlage sein könnten. Insoweit komme es bei dem Einbau von Modulen in eine bereits zusammengesetzte Sache - der Unterkonstruktion - auf die Verhältnisse bei Entstehung des Rechts und darauf an, welche Folgen der gedachte Ausbau in diesem Zeitpunkt gehabt hätte.
Der BGH stellt insoweit darauf ab, ob die Module bei einer Übereignung nach einer Trennung noch durch zumindest vergleichbare, auf dem Markt verfügbare Modelle ersetzt und ihrerseits in anderen Anlagen verwendet werden können. Hiervon könne angesichts der kurzen Zeitspanne zwischen der Errichtung der Anlage und Übereignung der Module an die Anleger ausgegangen werden, solange der Kläger nicht etwas Anderes darlegt und ggf. beweist. Insoweit hat der BGH die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und zur erneuten Prüfung zurückverwiesen. Diese Frage dürfte sich – vor allem bei dem Einbau von neuem Modulen – regelmäßig bejahen lassen.
Besonders fällt allerdings auf, dass der BGH hilfsweise ausführt, dass die Module bei einer anhand der genannten Maßstäbe begründeten Annahme als wesentliche Bestandteile der Anlage eine Sonderrechtsfähigkeit nicht daraus ableiten könnten, dass sie Scheinbestandteile i.S.v. § 95 Abs. 1 BGB darstellten. Nach § 95 BGB gehören zu den Bestandteilen eines Grundstücks nicht solche Sachen, welche nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. Davon wird bei Modulen und auch der Unterkonstruktion von PV-Anlagen in der Praxis einhellig ausgegangen. Dies gilt vor allem, wenn die Vertragsparteien eine entsprechende ausdrückliche Regelung in den Nutzungsvertrag aufgenommen haben.
Der BGH hält allerdings fest, dass § 95 BGB auf Bestandteile einer beweglichen Sache i.S.v. § 93 BGB nicht entsprechend anwendbar sei. Die PV-Anlage sei eine bewegliche Sache im Rechtssinne, weil sie weder ein Gebäude noch wesentlicher Bestandteil des Grundstücks sei. Die konkrete rechtliche Herleitung der Urteile ist bisher noch nicht bekannt, weil aktuell nur eine Pressemitteilung, jedoch noch nicht die detaillierten Urteilsbegründungen vorliegen. Wenn der BGH jedoch so selbstverständlich davon ausgeht, dass die PV-Anlage eine bewegliche Sache ist, erstaunen eigentlich die Ausführungen zur möglichen Entstehung einer Gesamtanlage gem. § 93 BGB.
Fazit
Es überrascht, dass der BGH - gemessen an dem von ihm selbst angenommenen Sachverhalt - überhaupt daran zweifelt, dass die PV-Anlage und vor allem die Module keine wesentlichen Bestandteile des Grundstückes werden.
Die Entscheidungen zeigen allerdings wieder, dass die Vertragsparteien bei der Ausarbeitung von Nutzungsverträgen besonders sorgfältig vorgehen sollten. Insoweit ist das nicht selten übliche Vorgehen kritisch zu sehen, sich hauptsächlich an sog. Musterverträgen zu orientieren. Häufig übernehmen die Vertragsparteien dabei Formulierungen, ohne diese ausreichend zu prüfen, ob sich diese für den besonderen Einzelfall auch eignen und ohne aktuelle Entwicklungen der Rechtsprechung zu berücksichtigen. Die praktische Erfahrung zeigt dagegen, dass vor allem eine entsprechende Einzelfallprüfung einen reibungslosen Betrieb über einen langjährigen Zeitraum zuverlässig absichert.