Hemmt der Artenschutz den weiteren Ausbau der Windenergie an Land?
Der umfangreiche Ausbau der Windenergie an Land (Onshore-Anlagen) ist ein wesentlicher Baustein, um die Energieerzeugung auf erneuerbare Energien umzustellen und die Klimaschutzziele erreichen zu können.
Die artenschutzrechtlichen Vorgaben führen nicht nur zur erheblichen Verlängerung von Genehmigungsverfahren und häufigen Rechtsstreitigkeiten, sondern verhindern immer wieder die Errichtung von Windenergieanlagen (WEA).
Ausgangssituation – Artenschutzrecht als Herausforderung für die Genehmigung
Die Bundesregierung hat mit der Novelle des EEG 2021 den Ausbaupfad für Onshore-WEA erhöht. Ziel ist, die installierte Leistung bis zum Jahre 2030 um fast 20 Gigawatt, d.h. fast mehr als 40% der derzeit installierten Leistung zu erhöhen (vgl. § 4 Abs. 1 EEG 2021). Gleichzeitig hat sich die Dauer für die Planung und Genehmigung von WEA auf bis zu Jahren je Projekt erhöht.
Ein wesentlicher und zeitintensiver Aspekt sind die jeweils zu klärenden naturschutz- und artenschutzfachlichen Fragestellungen. Dies bestätigen auch von [GGSC] betreute Genehmigungsverfahren. Gerade bei der Realisierung von größeren Windparks lässt sich immer wieder nicht vollständig ausschließen, dass besonders geschützte Vogelarten durch den Betrieb der WEA nachteilig betroffen werden und ein Verstoß gegen artenschutzrechtliche Verbotstatbestände anzunehmen ist. Hintergrund für diese Rechtsfolge ist, dass nach geltender Rechtslage hinsichtlich möglicher anzunehmender Beeinträchtigungen auf das einzelne Individuum z.B. einer geschützten Vogelart wie dem Rotmilan abzustellen ist. Hier hatte eine aktuelle Entscheidung des EuGH die Hoffnung geweckt, dass dieser Maßstab ggf. zu eng sei und auf die Population an sich abzustellen sein kann.
In diesen Konstellationen kann dann die Erteilung einer Ausnahme gem. § 45 Abs. 7 Nr. 5 BNatSchG den Weg zur Erteilung einer Genehmigung eröffnen. Allerdings ist dafür ein überwiegendes öffentliches Interesse erforderlich. Hier hatte die Bundesregierung eigentlich geplant, den Begriff des öffentlichen Interesses weiter zu fassen und die Erteilung von Ausnahmen zu erleichtern. Bisher steht diese Entscheidung allerdings noch aus.
EuGH bestätigt vorrangige Betrachtung auf einzelnes Individuum
Der EuGH hatte zuletzt darüber zu entscheiden, ob in einem Waldgebiet in Schweden geplante Abholzungsmaßnahmen den Vorgaben der Habitatschutzrichtlinie (HR-RL) und der Vogelschutzrichtlinie (VS-RL) entsprechen (Rs. C-473/19 und C-474/19). Die vor Ort zuständige Verwaltung hatte die Auffassung vertreten, dass die bei den Abholzungsmaßnahmen zerstörten Lebensräume oder Eier der vorhandenen Arten nicht gegen Verbote der Richtlinien verstoßen, weil die betroffenen Arten nicht bedroht sind oder ihre Population auf lange Zeit gesehen nicht rückläufig ist. Hier hatte im Vorfeld der Entscheidung die Stellungnahme der Generalanwältin Hoffnung geweckt, welche eine entsprechende Auslegung zumindest nicht ausschloss. Der EuGH lehnt eine entsprechende Betrachtungsweise allerdings ab. Der EuGH betont, dass die Verbotstatbestände der HR RL unabhängig davon gelten, ob die geschützten Arten auf irgendeiner Linie bedroht sind oder ob ihre Population auf lange Sicht rückläufig sei. Ebenso hängt der Eintritt eines Verbotstatbestandes nicht davon ab, ob sich eine Art in einem günstigen Erhaltungszustand befindet oder sich eine Maßnahme negativ auf den Erhaltungszustand einer Art auswirkt. Immerhin bestätigt der EuGH aber, dass dieses Kriterium im Rahmen einer Ausnahmeentscheidung – in Deutschlang gem. § 45 Abs. 7 BNatSchG – eine Rolle spielen.
Die Entscheidung des EuGH bezieht sich hauptsächlich auf die Auslegung der HR-RL. Insoweit stellt sich weiterhin die Frage, ob eine entsprechende Differenzierung nicht bei geschützten Vogelarten rechtlich möglich bleibt. Insoweit findet z.B. bei der Genehmigung von WEA oft eine Unterscheidung danach statt, ob es sich nach den bisherigen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen um windkraftsensible Arten, sog. planrelevante Arten, handelt. Es bestehen allerdings weiterhin wesentliche Fragen bei der Prüfung, ob das Tötungsrisiko i.S.v. § 44 Abs. 1 Nr. BNatSchG signifikant erhöht ist, zu klären (z.B. relevante Anzahl ggf. je WEA beeinträchtigter Vögel innerhalb eines Jahres).
Bundesregierung schiebt gesetzliche Regelung weiter auf
Die Bundesregierung hatte deshalb im Rahmen der EEG Novelle 2021 in § 1 Abs. 5 EEG-2021 vorgesehen, dass die Nutzung erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung im
öffentlichen Interesse liegt und somit der öffentlichen Sicherheit dient. Die Genehmigungsbehörden müssten somit dieses hohe öffentliche Interesse bei der Abwägung mit anderen Rechtsgütern berücksichtigen (vgl. Begründung zum Kabinettsentwurf EEG 2021, BT-Drs. 569/20, Seite 102). Danach sollten weitere Details noch ergänzend geregelt werden. Mit dieser Formulierung hätte in den Genehmigungsverfahren eine weitergehende Möglichkeit existiert, artenschutzrechtliche Ausnahmen zu begründen. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens fiel diese Regelung leider weg. Bisher steht die Verabschiedung einer entsprechenden oder vergleichbaren Regelung noch aus.
Bewertung/Fazit
Das Artenschutzrecht stellt weiterhin hohe Hürden für die Genehmigung von WEA auf. Dem Gesetzgeber ist es bisher trotz entsprechender Ankündigungen nicht gelungen, hier Erleichterungen zu installieren. Die Entscheidung des EuGH führt dazu, in den Genehmigungsverfahren besondere Sorgfalt auf die artenschutzrechtliche Prüfung und die in diesem Zusammenhang auszuarbeitenden Unterlagen wie vor allem den Artenschutzbericht zu legen.