Newsletter HOAI Februar 2019

Baukostenobergrenzen: Wann vereinbart – und wann nicht?

In die Rechtsprechung, wann denn eine werkvertragliche „Beschaffenheitsvereinbarung“ zu Kosten vorliegt, ist in den vergangenen Jahren erhebliche Bewegung gekommen, gerade im Jahr 2018. Wir fassen diese Entwicklung für Sie zusammen:

Die Entscheidungen

Während die Rechtsprechung lange Zeit dazu neigte, aus sehr geringfügigen Anhaltspunkten eine Vereinbarung einer Baukostenobergrenze „herauszulesen“, tendieren die Oberlandesgerichte in jüngerer Zeit zur gegenteiligen Auffassung; am deutlichsten das Kammergericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 2018.

Der BGH hatte mit Entscheidung vom 21.03.2013, VII ZR 230/11 die Anforderungen an die Vereinbarung einer Baukostenobergrenze massiv gesenkt. In dem dortigen Fall hatten Verwandte (!) des Bauherrn sich mündlich zum verfügbaren Budget geäußert. Dies wurde dann nach Auffassung des BGH schon dadurch zum Vertragsinhalt, dass der Architekt dieser Kostenvorstellung nicht aktiv widersprochen hatte.

In die gleiche Richtung geht eine Entscheidung des OLG Schleswig (22.11.2012, 1 U 82). Nach Auffassung des Gerichts war für die Frage der Wirksamkeit der Kostenobergrenze irrelevant, dass der schriftliche Architektenvertrag selbst keine Regelung hierzu enthielt. Vielmehr könne sich die wirksame Abrede auch aus anderen, neben dem Vertrag liegenden Umständen ergeben.

Seitdem haben allerdings mehrere Oberlandesgerichte deutlich strengere Anforderungen an die Vereinbarung einer Kostenobergrenze gestellt. So sah das OLG Frankfurt in der Vorlage einer ersten Kostenschätzung erst nach Vertragsschluss keine Absprache zur Höhe der Baukosten (20.11.2014, 15 U 19/10).

Das OLG München ist der Auffassung, die bloße Angabe einer Kostengrenze oder die Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse führe gerade nicht automatisch zur Vereinbarung einer Baukostenobergrenze (27.09.2016, 9 U 1161/15). In beiden Entscheidungen spielte ferner eine Rolle, dass im schriftlichen Architektenvertrag gerade keine Baukostenobergrenze aufgeführt war.

Das OLG Oldenburg (07.08.2018, 2 U 30/ 18) meint, eine bloße Entgegennahme von Kostenzusammenstellungen des Bauherrn genüge nicht als Vereinbarung einer Baukostenobergrenze. Vielmehr müsse der Bauherr unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass ein bestimmtes Budget nicht überschritten werden solle.

Am weitesten geht das Kammergericht in seinem Urteil vom 28.08.2018 (21 U 24/ 16). Dort heißt es, dass die Frage, ob eine Kostenobergrenze wirksam zwischen den Parteien vereinbart worden sei, komplett offen bleiben könne. Denn eine solche Vereinbarung könne ohnehin weder eine Garantie, noch eine Beschaffenheitsvereinbarung begründen, sondern allenfalls normale Sorgfaltspflichten des Architekten. Das Kammergericht stellt die Rechtsprechung damit zugunsten der Architekten auf den Kopf – in den Fällen, in denen keine eindeutige Vereinbarung im Vertrag steht. Damit erteilte das Kammergericht der ständigen Rechtsprechung, wonach die Vereinbarung einer Kostenobergrenze eine Beschaffenheitsvereinbarung darstelle, eine klare Absage. Gegen die Entscheidung wurde Revision zum BGH eingelegt.

Fazit

Das Urteil des Kammergerichts ist nichts anderes als eine Kampfansage an den BGH zur wirklich absurd strengen BKO-Rechtsprechung. Es bleibt spannend, ob der BGH von seiner bisherigen Rechtsprechung abweicht und sich der Auffassung des Kammergerichts anschließt oder zumindest annähert. Unabhängig davon sollten Auftraggeber und Architekt unbedingt klare Verhältnisse schaffen, indem sie Baukostenvereinbarungen ausdrücklich im Architektenvertrag regeln, oder sie ausdrücklich ausschließen. Wenn man etwas vereinbart, sollte man dringend die nicht beherrschbaren Risiken fair verteilen und Regeln dazu festlegen, wie im Krisenfall vorzugehen ist; genau daran fehlt es in fast allen Streitfällen.

Völlig selbstverständlich bleibt es allerdings, dass jeder Architekt oder Ingenieur sofort laut und deutlich warnen sollte, wenn erkennbar wird, dass das Budget überschritten werden könnte. Das klingt banal, aber unsere Erfahrung bestätigt, dass selbst solche Selbstverständlichkeiten immer wieder außer Acht gelassen werden.

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