Änderung von § 3 Vergabeverordnung – deutlich mehr Planungsleistungen ausschreibungspflichtig
Seit ca. einem Monat müssen infolge einer Änderung der Vergabeverordnung deutlich mehr Planungsleistungen europaweit ausgeschrieben werden als bisher. Etwas vereinfacht formuliert kann man sagen, dass ab einem Bauvolumen von rund 900.000,00 € netto künftig die Verpflichtung besteht, alle Planungsleistungen europaweit auszuschreiben. Dadurch kommen also auf alle öffentlichen Auftraggeber und auf Fördermittelempfänger einige organisatorische Herausforderungen zu.
Hintergrund der Gesetzesänderung
Eine Pflicht zu europaweiten Ausschreibung besteht bekanntlich nur, wenn der Wert des Gesamtauftrags den sogenannten Schwellenwert überschreitet. Dieser beträgt bei Architekten- und Ingenieurleistungen derzeit 215.000,00 € netto. Nach bisheriger Rechtslage durfte man bei der Berechnung dieses Werts zwischen den HOAI-Planungsdisziplinen unterscheiden musste sie also nicht addieren. Hiergegen hat sich schon vor Jahren die EU-Kommission gewandt, weil sie diese Regelung für Europa rechtswidrig hielt. Nach jahrelangen Rechtsstreit hat der Bund nun nachgegeben und § 3 Abs. 7 VgV geändert. Künftig müssen die Honorare aller Planungsleistungen addiert werden, zwischen denen ein funktionaler Zusammenhang bestimmt. Das wird bei der Planung von Bauwerken praktisch immer der Fall sein.
Praktische Auswirkungen
Nach dieser Neuregelung ist der Schwellenwert von 215.000,00 € sehr schnell überschritten. Schon bei einer Kita, die weniger als 1 Mio. € an Baukosten verursacht, entstehen in Summe Planerhonorare von mehr als 215.000,00 €. Die Konsequenz ist dann, dass im Grundsatz alle Planungslose EU-weit ausgeschrieben werden müssen, unter Einhaltung all der recht anspruchsvollen Formalien solcher Verfahren. Was das statistisch bedeutet, steht noch nicht ganz fest; es gibt aber Stimmen, die behaupten, dass die Zahl der Ausschreibung sich verzehnfachen würden.
Reaktionsmöglichkeiten
Bauherren, die dem Vergaberecht unterliegen (öffentliche Auftraggeber und Fördermittel Empfänger) haben in gewissem Umfang legale Reaktionsmöglichkeiten, um sich das Leben zu vereinfachen: Wie bisher darf man 20 % der entstehenden Honorare weiterhin nach nationalen Vergaberegeln ausschreiben und vergeben (sogenanntes 20%-Kontingent). Die entsprechenden Lose dürfen aber jeweils maximal 80.000,00 € netto erreichen. Ferner gibt es innerhalb der Verfahrensgestaltung einige Vereinfachungsmöglichkeiten. Wenn man die anstehenden Leistungen präzise und abschließend beschreiben kann, darf man den Weg des sogenannten offenen Verfahrens wählen, also de facto reine Preisabfragen ohne Verhandlungen. Das wird aber bei freiberuflichen Architekten- und Ingenieurleistungen eher die Ausnahme sein. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass Verhandlungsverfahren abzukürzen, in dem man direkt auf der Grundlage der eingegangenen Erstangebote entscheidet; dies muss man dann aber in der EU-Bekanntmachung ausdrücklich als Option ankündigen. Von diesen Vereinfachungsmöglichkeiten abgesehen, wird es aber künftig auch bei kleineren Projekten nicht anders gehen, als Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb durchzuführen.
Eher in den Bereich der juristischen Grauzone gehört der „Trick“, die Planungsleistungen und die Bauleistungen in eine einheitliche Ausschreibung zu fassen und also sämtliche Leistungen an einen einzigen Auftragnehmer zu vergeben (Generalübernehmervergabe). Das ist deshalb ein Trick, weil dann die Bauleistungen den Schwerpunkt des Auftrags bilden und der Schwellenwert für Bauleistungen viel höher liegt (5,382 Mio. €), sodass man dann nicht europaweit ausschreiben müsste. Das Problem daran ist, dass eine solche Zusammenfassung von Disziplinen und Losen im Normalfall nicht legal ist und einer substantiellen vergaberechtlichen Begründung bedarf. Denn alle dem Vergaberecht unterliegenden Bauherren sind im Normalfall zur Losbildung verpflichtet.