Auftragswert – HOAI-Honorar maßgeblich?
Nach einer Entscheidung des OLG Karlsruhe (15 Verg 1/22) muss man für die Honorarschätzung nicht unbedingt das HOAI-Honorar ansetzen. Das kann dazu führen, dass der Schwellenwert für eine EU-weite Ausschreibung nicht erreicht wird.
Keine automatische Anwendung der HOAI
Die HOAI regelt seit Jahrzehnten die Honorare für Planungsleistungen in Deutschland. Die HOAI gilt jedoch seit 2021 nicht mehr als verbindliches Preisrecht, da sie aufgrund von europarechtlichen Vorgaben nicht mehr den Grundsätzen des freien Wettbewerbs entspricht. Dies hat auch Auswirkungen auf die Auftragswertschätzung von Planerleistungen.
So entschied das OLG Karlsruhe, dass der Auftraggeber eine Methode wählen muss, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis erwarten lässt. Dabei muss der Auftraggeber die Beurteilung treffen, zu welchem Preis die zu vergebende Leistung voraussichtlich unter Wettbewerbsbedingungen beschafft werden kann. Im vorliegenden Fall hatte der Auftraggeber keine Erwägungen zur Auftragswertschätzung getroffen, so dass die Nachprüfungsinstanzen den Wert des Auftrags eigenverantwortlich schätzen mussten. Dabei konnten sie sich an den eingegangenen Angeboten orientieren, die sämtlich unterhalb des EU-Schwellenwerts lagen.
Sorgfältige und realistische Auftragswertschätzung
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe zeigt, dass die HOAI auch für öffentliche Auftraggeber kein verbindliches Preisrecht mehr darstellt. Auftraggeber sind daher nicht mehr dazu verpflichtet, das Basishonorar als Mindestsatz für Planerleistungen anzusetzen. Vielmehr dürfen sie das voraussichtliche Honorar auf einen Wert unterhalb des Basishonorars schätzen, wenn mit Preisangeboten unterhalb des Basishonorars gerechnet werden kann.
Allerdings müssen Auftraggeber eine Methode wählen, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis erwarten lässt.
Es ist daher für Auftraggeber von großer Bedeutung, eine sorgfältige und realistische Auftragswertschätzung durchzuführen, um unliebsame Überraschungen bei der Angebotsbewertung zu vermeiden. Auch für Bieter ist es wichtig, die Vorgaben des Auftraggebers auf ihre Plausibilität zu prüfen und im Zweifelsfall die Vergabekammer anzurufen, um eine eigene Wertermittlung zu erwirken.
Letztendlich gilt es für alle Beteiligten, sich im Spannungsfeld zwischen freier Preisbildung und einer angemessenen Vergütung für Planerleistungen zu bewegen und im Einzelfall eine sachgerechte Lösung zu finden.