Newsletter Vergabe Dezember 2022

Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Anwalts - Argumentationshilfe BayOBLG

Nicht selten bedienen sich im Fall eines Nachprüfungsverfahrens auch die Vergabestellen einer anwaltlichen Vertretung. Diesbezügliche Kosten sind bei Obsiegen der Vergabestelle vom Antragssteller zu tragen, wenn die Hinzuziehung der anwaltlichen Vertretung von der Vergabekammer „für notwendig“ erklärt wurde. Auch wenn diese Notwendigkeit häufig schon wegen der Schwierigkeiten der relevanten Fragen sowie der wirtschaftlichen Bedeutung eines Auftrages begründet ist, wird sie gelegentlich von Antragstellern (zur Ersparnis von Kosten) in Frage gestellt. Gute Argumentationshilfe bietet für solche Fälle ein aktueller Beschluss des BayObLG (Verg 1/22) aus einem von [GGSC] betreuten Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren.

Eingehende Auseinandersetzung mit der Ausgangslage des Auftraggebers

Nachdem die Vergabekammer Nordbayern die Notwendigkeit der Hinzuziehung der anwaltlichen Vertretung im Beschluss vom 20.01.2022 mit Blick auf die Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht mit knapper Begründung bejaht hatte, forderte der Antragsteller mit seiner allein hiergegen gerichteten, sofortigen Beschwerde eine vertiefte Befassung heraus. Daher wurde von [GGSC] eingehend zur Ausgangslage des Auftraggebers einschließlich der Qualifikation des dortigen Personals, der (wirtschaftlichen) Bedeutung des Auftrages, den diskutierten Sach- und Rechtsfragen sowie dem zeitlichen Ablauf des Nachprüfungsverfahrens einschließlich des sich daraus ergeben Zeitdrucks vorgetragen.

Hilfreiche Zusammenstellung der Grundsätze für die Argumentation

Das BayObLG stellt im Beschluss vom 20.10.2022 die Grundsätze für die Beurteilung der Frage anschaulich zusammen: Maßgeblich ist danach darauf abzustellen, ob die Vergabestelle unter den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, auf Grund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den maßgeblichen Sachverhalt zu erfassen, daraus die für eine sinnvolle Rechtsverteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen bzw. dementsprechend vorzutragen. Dafür können die Komplexität des Sachverhalts und die Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen maßgeblich sein, ebenso Umstände in der Person des Auftraggebers (z.B. sachliche und personelle Ausstattung). Ergänzend kann der Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit einfließen. Das Hinzutreten nicht einfacher, insbesondere schwieriger, rechtlich noch ungeklärter Rechtsfragen kann ebenfalls für die Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung des Auftraggebers (AG) sprechen. Schließlich können im Einzelfall der typische Zeitdruck im Nachprüfungsverfahren und ein erhebliches Gewicht des zu vergebenden Auftrags eine Rolle spielen.

Beurteilung des Einzelfalles aufgrund der Darlegungen von [GGSC]

Bei Anwendung der Grundsätze auf den streitigen Fall ging das BayObLG von der Notwendigkeit der anwaltlichen Vertretung vor der Vergabekammer aus. Maßgeblich für die Beurteilung waren u.a. auch die von [GGSC] angeführten tatsächlichen Umstände. Relevant war die Vielzahl der geltend gemachten Verstöße, welche in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach zu beurteilen waren. Dazu gehörte u.a. die Frage, ob das Angebot der Antragstellerin von der Vergabestelle zu Unrecht als nicht zuschlagsfähig beurteilt worden war. Umstritten war überdies die Beurteilung der Genehmigungslage für die vorgesehene Anlage zur Behandlung von Bioabfall einschließlich immissionsschutzrechtlicher Fragestellungen. Hinzu kamen Fragen zur Auslegung und zum Verständnis der Vergabeunterlagen, die Bewertung von Nachweisen als vollständig oder unzureichend und die rechtlich nicht ganz einfache Problematik, ob der Antragstellerin die Möglichkeit zur Nachbesserung ihrer Erklärungen hätte gewährt werden müssen.

Auch relevant: Hoher Zeitdruck des AG im Nachprüfungsverfahren und Vielzahl streitiger Punkte

Auch der hohe Zeitdruck im Verfahren, der eine möglichst rasche und fachlich fundierte Reaktion auf die im Nachprüfungsverfahren aufgeworfenen Fragen erforderte, wurde in der dortigen Ausgangslage für relevant gehalten: Eine Verpflichtung des Auftraggebers zur Vorhaltung von hinreichend geschultem Personal, welches etwaige Streitpunkte unter dem gegebenen Zeitdruck ohne anwaltlichen Beistand vertreten könnte, besteht nach Auffassung des BayObLG nicht. Für den Vergabesenat sprach schließlich die Vielzahl der Streitpunkte, die mitunter rechtlich eher schwierig zu beurteilen waren, unter Berücksichtigung der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung des Auftrags (Auftragswert größer 10 Millionen) sowie der prozessualen Waffengleichheit (der Antragsteller war anwaltlich vertreten) für die Notwendigkeit der Hinzuziehung anwaltlichen Beistandes.

Keine überzogenen Anforderungen an die Notwendigkeit

Da es letztlich auf den Einzelfall ankommt, ist in entsprechend streitigen Situationen eine eingehende Argumentation mit den Umständen der jeweiligen Lage des AG im Einzelfall lohnenswert. Die Entscheidung des BayObLG ist in den Gründen und im Ergebnis für öffentliche Auftraggeber hilfreich. Überzogene Anforderungen an die eigene Vertretung der Vergabestellen verbieten sich bei schwierigeren Fragestellungen. Das Erfordernis effektiver und kurzfristiger Reaktion im Nachprüfungsverfahren und die mitunter schwierige Personalsituation öff. Aufgabenträger gerade in Corona-Zeiten stellen diese vor besondere Herausforderungen, die oft nur mit anwaltlichem Beistand bewältigt werden können.

[GGSC] berät öffentliche Auftraggeber umfassend bei der Durchführung von Vergabeverfahren sowie in Nachprüfungsverfahren.

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