Newsletter Vergabe Dezember 2022

Preisanpassung aufgrund Ukraine-Krise bei Dienstleistungsvergaben?

In der letzten Ausgabe unseres Vergabe-Newsletters hatten wir zu etwaigen Erfordernissen, wegen der Ukraine-Krise Preisanpassungen in Bauvergaben vorzusehen, berichtet. Eine aktuelle Entscheidung der VK Bund geht für Liefervergaben offenbar andere Wege: Dort wurde die Einfügung von Preisanpassungsmöglichkeiten in die Unterlagen nicht für zwingend gehalten (Beschluss vom 19.10.2022, Az. VK 1 85/22). Konkret ging es um den Abschluss einer Rahmenvereinbarung für die Lieferung von Klebebändern. Eine Veröffentlichung der Entscheidung steht noch aus.

Grenze des „unzumutbaren“ (Kalkulations-) Wagnisses bei Liefer- und Dienstleistungsvergaben strenger als bei Bauvergaben?

Für Bauvergaben hielt die VK Westfalen wegen § 7 VOB/A und des dortigen Verbots einer Überbürdung von „ungewöhnlichen“ Wagnissen auf die Bieter die Einfügung von Preisanpassungsmöglichkeiten in Bauvergaben für nötig (s. dazu NL Vergabe Oktober 2022, Preisrisiken aus Ukraine-Krise: ungewöhnliches Wagnis i.S. VOB/A (VK Westfalen).  Für Liefer- und Dienstleistungsausschreibungen gilt insoweit nicht automatisch dasselbe: Dort soll nur das Verbot einer Überwälzung von „unzumutbaren“ Wagnissen auf die Bieter gelten. Die dortige Formulierung lässt auf eine höhere Hürde schließen, auch wenn die Auslegung sowohl von § 7 VOB/A als auch für das „unzumutbare Wagnis“ häufig mit ähnlichen Argumenten operiert.

Besondere Bedeutung der jährlichen Kündigungsmöglichkeit für die Beurteilung der Kalkulationsrisiken

Wie auf der Herbsttagung der Arbeitsgruppe Vergaberecht des Deutschen Anwaltvereins am 11.11. 2022 in Berlin berichtet, enthielten die Vergabeunterlagen im vor der VK Bund geführten Verfahren jährliche Kündigungsmöglichkeiten – auch für die Auftragnehmer. Zwar entschied die VK durchaus, dass Preisgleit- bzw. anpassungsklauseln zwingend angeordnet werden müssten, wenn eine vernünftige Kalkulation für den Bieter unzumutbar ist. Aus der Kündigungsklausel folgerte die VK aber offenbar, eine vernünftige, kaufmännische Kalkulation der Bieter erscheine als nicht als unzumutbar. Dann wird dem Bieter insoweit die Verantwortung zugewiesen, notfalls die „Reißleine“ zu ziehen und den Vertrag zu kündigen, wenn die Kosten sich (aufgrund der Ukraine-Krise) in eine Richtung entwickeln, die für den Bieter so nicht vorhersehbar war – und die Gefahr besteht, dass mit den kalkulierten Preisen keine Kostendeckung mehr erreicht werden kann. Ob allein eine Kündigungsmöglichkeit tatsächlich geeignet ist, ein (ansonsten) „unzumutbares“ Kalkulationsrisiko abzufangen, wird aber noch zu diskutieren sein.

Insoweit ist die Veröffentlichung der Entscheidung mit Spannung abzuwarten – GGSC wird über die konkrete Argumentation der VK Bund näher berichten und diese kritisch auswerten.

[GGSC] berät öffentliche Auftraggeber sowohl bei neu zu startenden als auch in laufenden Ausschreibungsverfahren zur möglichst rechtssicheren Berücksichtigung von Kostenrisiken potenzieller Bieter – sowohl in Bauvergaben als auch bei Ausschreibungen von LIefer- und Dienstleistungen – aufgrund des Ukraine-Kriegs.

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