Die Urkalkulation: Alles streng geheim?
Ist ein Auftraggeber zur Öffnung der vom Auftragnehmer verschlossen übergebenen Urkalkulation berechtigt, dann darf der Auftraggeber von der Urkalkulation regelmäßig auch Kopien anfertigen und diese an berechtigte Dritte weitergeben.
Realistische Angebotsprüfung meist nur mit Urkalkulation
Die Urkalkulation ist für Vergaben im Bau- wie im Dienstleistungsbereich oft zentral für die Überprüfung eines Angebots auf Plausibilität und Angemessenheit. Nicht weniger wichtig ist sie, wenn Auftraggeber und -nehmer nach Auftragsvergabe bei Preisanpassungen und Nachträgen uneins sind. Insbesondere für Auftraggeber ist es daher entscheidend, die Urkalkulation eingehend und umfassend prüfen zu können. Nur so kann ein Angebot realistisch beurteilt werden. Viele Auftraggeber beauftragen ihrerseits deshalb auch Dritte mit der Überprüfung von Teilen der Urkalkulation, beispielsweise wenn die eigene Expertise hierfür nicht ausreicht.
Streit um sensible Informationen und Geschäftsgeheimnisse
Aus Sicht der Bieter und Auftragnehmer sind die in einer Urkalkulation enthaltenen Informationen allerdings höchst sensibel: Schließlich finden sich in ihr viele Details zur Preisgestaltung und damit Geschäftsgeheimnisse, die nicht bekannt werden sollen. In der Praxis wird deshalb weit überwiegend vereinbart, dass die Urkalkulation verschlossen zu übergeben ist und nur zu festgelegten Anlässen geöffnet werden darf. Und das auch nur, wenn der Auftraggeber dem Bieter oder Auftragnehmer mindestens Gelegenheit gibt, bei der Öffnung anwesend zu sein. So wird versucht, das Aufklärungsinteresse des Auftraggebers und das Geheimhaltungsinteresse der Bieter und Auftragnehmer in ein vernünftiges Gleichgewicht zu bringen.
Wird eine Urkalkulation tatsächlich geöffnet, gibt es aber trotzdem häufig Streit, denn Bieter und Auftragnehmer haben – nachvollziehbare – Hemmungen, das Dokument „aus dem Raum“ zu lassen. Sie wollen meist nicht, dass Kopien erstellt oder dass diese Kopien auch noch Dritten zugänglich gemacht werden. Eine echte Prüfung gelingt Auftraggebern aber meist nur, wenn auch die von ihnen einbezogenen Dritten umfassend Einblick in die Urkalkulation erhalten.
Geheimhaltung nicht so streng wie oft angenommen
Ein Blick in die Rechtsprechung zeigt jedoch, dass die Anforderungen an die Geheimhaltung weit weniger strikt ausgelegt werden, als von Bietern und Auftragnehmern oft angenommen. So hat das OLG München bereits 2007 entschieden, dass allein aus dem Umstand, dass der Auftragnehmer bei der Öffnung anwesend sein darf, nicht zu folgern ist, dass der Auftraggeber keine Kopien erstellen darf. Vielmehr sei sogar das Gegenteil zutreffend: Wer eine solche Öffnung im Streitfall vereinbart, der bezweckt mit der Regelung gerade, dass die Urkalkulation eingehend überprüft wird. Diese Prüfung wird aber, so das Gericht, während eines einzigen Termins regelmäßig nicht möglich sein, schon deshalb darf der Auftragnehmer Kopien erstellen und diese auch an Dritte weitergeben, die er mit der Prüfung beauftragt hat (OLG München, Beschluss vom 16.01.2007 – 27 W 3/07).
Die Anwesenheit des Bieters diene zudem nicht primär dem Geheimnisschutz, sondern der schnellen und direkten Klärungen einzelner Unklarheiten.
Verpflichtung des Auftraggebers zur Geheimhaltung
Die Angst der Bieter und Auftragnehmer vor dem Bekanntwerden ihrer Geschäftsgeheimnisse dürfte aber auch in der Sache unbegründet sein, da der Auftraggeber selbstverständlich zum Schutz der Geschäftsgeheimnisse verpflichtet ist. Zudem hat dieser selbst ein Interesse daran, dass sich die Informationen nicht verbreiten: Würden Informationen zur Preisgestaltung den Konkurrenten bekannt, so wird dies häufig auch die Wirtschaftlichkeit zukünftiger Ausschreibungen und Aufträge des Auftraggebers gefährden.
Alles in allem zeigt sich: Ja, die Urkalkulation enthält sensible Informationen. Kommt es aber zur Öffnung der Urkalkulation, muss sie auch umfassend unter Einbeziehung externen Sachverstands geprüft werden können.