Neues zur Markterkundung
Gerade in einem schwierigen Marktumfeld ist der potenzielle Auftraggeber gut beraten, der Ausschreibung eine fundierte Markterkundung vorzuschalten. So kann er prüfen, ob sein Beschaffungsbedarf auch auf ein zufriedenstellendes Angebot im Markt trifft oder ob er – im wohlverstandenen Eigeninteresse – noch an einigen Stellschrauben der anstehenden Vergabe drehen muss, um mit einem für ihn zufriedenstellenden Ergebnis rechnen zu können.
Bei der Durchführung der Markterkundung ist Sorgfalt geboten, auch wenn hierfür keine konkreten Verfahrensregeln gelten. Bei der Vorbereitung dürfte eine Checklist zu den Fragen, die an die potenziellen Bieter gerichtet werden sollen, für ein transparentes Verfahren helfen. Eine auf mehrere Anbieter zugeschnittene Struktur der Checkliste hilft dann auch jegliche Eindrücke eines besonderen oder gar ausschließlichen Interesses an einem Anbieter zu vermeiden. Dies schließt es natürlich nicht aus, dass trotzdem und aufgrund von betrieblichen Besonderheiten bei den einzelnen, potenziellen Bietern an diese auch individuelle und auf sie zugeschnittene Fragen gerichtet werden.
Gerade wenn der Auftraggeber aus den Ergebnissen der Markterkundung Folgerungen für die Wahl eines besonderen und nur im Ausnahmefall zulässigen Vergabeverfahrens ziehen will, ist er gut beraten, die Markterkundung sorgfältig zu dokumentieren. An gesetzlichen Vorgaben hierfür fehlt es zwar, in einem nachfolgenden Nachprüfungsverfahren eines nicht beteiligten oder übergangenen Bieters ist dies aber regelmäßig von Vorteil. Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn der Auftraggeber sich im Ergebnis der Markterkundung für eine Direktvergabe entscheidet:
Eine fundierte Dokumentation lohnt sich für den Fall sich anschließender Streitigkeiten um die Vergabe
Sowohl die VK Bund (Beschl. v. 29.09.2020, VK 2 – 73/20) als auch das OLG Rostock (Beschl. v. 25.11.2020, 17 Verg 1/20) haben sich kürzlich mit den Voraussetzungen der Durchführung einer Direktvergabe ohne Wettbewerb gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 2 Buchst.b) VgV und – hier von besonderem Interesse – der Rolle der vorangehenden Markterkundung befasst.
Eine solche Direktbeauftragung kommt gerade bei Oberschwellenvergaben ja nur im absoluten Ausnahmecharakter in Betracht und ist an enge Voraussetzungen gemäß § 14 Abs. 6 VgV geknüpft. Sie erweist sich nur dann als zulässig, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsparameter ist (vgl. dazu auch den Beitrag zu corona-bedingten Verfahrensentscheidungen in diesem Heft). Verzichtet ein öffentlicher Auftraggeber dennoch vollständig auf den Wettbewerb besteht für eine solche Entscheidung ein besonderer Rechtfertigungsbedarf.
Bedeutung der vorgeschalteten Markterkundung für vergaberechtliche Folgeentscheidungen
Im Fall der VK Bund hatte die Vergabestelle nach eigener Darstellung die Websites einzelner potentieller Anbieter angesehen, Literaturrecherchen vorgenommen, mit drei Unternehmen zu potenziell in Betracht kommenden Geräten Gespräche geführt sowie einen weiteren E-Mail-Kontakt unterhalten.
Im Ergebnis dieser Nachforschungen war die Vergabestelle zu dem Ergebnis gelangt, dass ausschließlich das Gerät eines einzigen Unternehmens ihren Anforderungen genügen könne. Deswegen hat sie sich unter Verzicht auf den Wettbewerb zur Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb entschieden - dies nach Auffassung der VK Bund jedoch zu Unrecht.
Aus der Markterkundung die richtigen Folgerungen ziehen!
Zwar sei die Markterkundung an sich ordnungsgemäß durchgeführt worden. Insbesondere könne vom öffentlichen Auftraggeber nicht verlangt werden, dass sich dieser so umfassenden Kenntnisse aneignet, wie sie beim Hersteller selbst vorhanden sind. Vielmehr reiche es wie vorliegend geschehen aus, wenn sich der Auftraggeber bei Nutzern vergleichbarer Produkte über die jeweiligen Vor- und Nachteile informiert und verfügbare Informationsquelle zu Rate zieht um sich ein Bild vom Markt zu machen.
Was ist zu dokumentieren?
Jedoch habe die Vergabestelle ihre Gründe, die letztlich zum Verzicht auf den Wettbewerb führten nicht hinreichend dokumentiert. Z.B. sei unklar geblieben nach welchen Kriterien die Gesprächspartner ausgewählt wurden, von welchem Gesprächspartner welche Informationen geliefert wurden und über welche konkreten Erfahrungen diese verfügten. Im Ergebnis seien damit die Gründe für den Wettbewerbsverzicht nicht hinreichend nachvollziehbar im Vergabevermerk festgehalten worden und die Entscheidung der Vergabestelle damit unzulässig gewesen.
Bieter können im späteren Rechtsstreit an ihren Aussagen aus der Markterkundung festgehalten werden
Aber auch die potenziellen Bieter müssen schon bei der Markterkundung darauf achten, welche Aussagen sie treffen – schlimm-stenfalls können ihnen diese in einem späteren Vergaberechtsstreit zu ihren Lasten entgegen gehalten werden:
So hat das OLG Rostock die Entscheidung, einen definierten Bieter nicht am Vergabeverfahren zu beteiligen, in einem Fall nicht beanstandet, in dem just dieser Bieter im Rahmen einer vorangegangenen Markterkundung nach Überzeugung des Gerichts selbst ausdrücklich erklärt hatte, dass sein Produkt nicht den Anforderungen der Vergabestelle entspricht. Im entschiedenen Fall kam es der Vergabestelle für die dahingehende Beweiserhebung im Nachprüfungsverfahren durchaus zugute, dass das vorangegangene Markterkundungsverfahren einschließlich der dahingehenden Aussage des Bieters gut nachgezeichnet werden konnte.
Zusammenfassend gilt: Markterkundungen sind ein probates Mittel für den Auftraggeber zu überprüfen, ob sein Beschaffungsbedarf auch auf einen interessierten Markt trifft. Die Ergebnisse eines solchen Verfahrens können – gut dokumentiert – dann wiederum die Grundlage für Verfahrensentscheidungen oder auch das ein oder andere Umsteuern sein. Auch die potenziellen Bieter müssen solche Erkundungen mit Blick auf mögliche Folgen bei der sich anschließenden Vergabe oder daraus folgenden Streitigkeiten ernst nehmen.
[GGSC] berät zahlreiche Vergabestellen nicht nur bei Vergabekonzepten und der Durchführung von Vergabeverfahren, sondern gibt auch Hinweise für ein vorgelagertes Markterkundungsverfahren.