Keine automatische Rückforderung von Zuwendungen bei Vergabeverstößen
Die Gewährung staatlicher Zuwendungen erfolgt häufig unter dem Vorbehalt einer ordnungsgemäßen Auftragsvergabe. Bei Verstößen gegen das Vergaberecht droht die Rückforderung der Fördermittel. Jedoch kann der Auftraggeber diese nicht automatisch insgesamt zurückverlangen. Eine Rückforderung ist insbesondere dann nicht rechtmäßig, wenn der Zuwendungsgeber seinen Ermessensspielraum hinsichtlich des „ob“ und „wie“ nicht rechtskonform ausübt.
Sachverhalt
Im Fall, über den das OVG-Schleswig-Holstein (Urteil vom 25.08.2022, 5 LB 9/20) zu entscheiden hatte, hatte sich die Klägerin (eine Kommune) im Berufungsverfahren erfolgreich gegen die vollständige Rückforderung ihrer Förderungsmittel gewehrt. Zwecks Anschaffung eines Feuerwehrlöschfahrzeuges hatte sie vom beklagten Landkreis Zuwendungen erhalten. Der Zuwendungsbescheid erging unter der Auflage ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren durchzuführen. Wie das OVG im Verfahren feststellte, verstieß die Klägerin jedoch in mehrfacher Hinsicht gegen vergaberechtliche Vorschriften. So hatte die Klägerin trotz Notwendigkeit keine öffentliche Ausschreibung durchgeführt. Außerdem verstieß sie bei der Auftragsvergabe gegen das Diskriminierungsgebot und ihre Dokumentationspflichten. Der Zuwendungsgeber hatte den Zuwendungsbescheid deshalb widerrufen und 100% der Förderungsmittel zurückgefordert.
Das OVG hielt die Rückforderung für rechtswidrig.
Vollständige Rückforderung erfordert ordnungsgemäße Ermessensausübung
Denn der beklagte Kreis war fälschlicherweise davon ausgegangen, dass ihm nur hinsichtlich des „ob“ des Widerrufs ein Ermessen zugestanden habe und nicht in Bezug auf die Höhe der Rückforderung. Dazu hat das Gericht ausgeführt, dass die Klägerin aufgrund der Vergabeverstöße zwar gegen die Auflage im Zuwendungsbescheid verstoßen hat und der Tatbestand für eine Rückforderung der Fördermittel erfüllt war, der Beklagte entgegen gesetzlicher Vorschriften jedoch nicht erkannt habe, dass ihm auch auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen zustehe.
Auch im Falle des intendierten Ermessens, müsse die Behörde ihren Ermessensspielraum aber zumindest erkennen und prüfen, ob ausnahmsweise eine andere Entscheidung als der vollständige Widerruf des Zuwendungsbescheids in Betracht komme. Dies sei hier nicht geschehen und die Rückforderung somit rechtswidrig.
Schlussfolgerung
Wie die Entscheidung des OVG verdeutlicht, reicht es für eine Rückforderung von Fördermitteln nicht aus, wenn hierfür die Tatbestandsvoraussetzungen z.B. wegen Verstößen gegen des Vergaberechts grundsätzlich vorliegen. Vielmehr muss der Zuwendungsgeber auf der Rechtsfolgenseite auch die Umstände des Einzelfalls berücksichtigen und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes über die „Höhe“ der Rückforderung entscheiden. Werden diese Grundsätze beachtet, ist eine vollständige Rückforderung der Fördermittel zwar nicht per se ausgeschlossen, automatisch kommt sie jedoch nicht in Betracht. Vielmehr muss sich die dahingehende Ausübung des Spielraums der Behörde zur Rückforderung konkret rechtfertigen lassen.
Ungeachtet dessen sollten Zuwendungsempfänger die ordnungsgemäße Durchführung von Vergabeverfahren stets besonders sorgfältig dokumentieren, um Zweifel an der Rechtmäßigkeit der zur Beschaffung durchgeführten Vergaben erst gar nicht aufkommen zu lassen.
[GGSC] berät öffentliche Aufgabenträger sowohl bei der Beantragung von Fördermitteln als auch bei der rechtssicheren Durchführung von Vergabeverfahren.