Preisanpassung aufgrund Ukraine-Krise bei Dienstleistungsvergaben? - Fortsetzung
Die Abfrage beim digitalen Wettbewerbsregister ist seit Mitte letzten Jahres für viele Vergabeverfahren zum verpflichtenden Bestandteil geworden.
In der -> letzten Ausgabe unseres Vergabe-Newsletters hatten wir von einer Entscheidung der VK Bund zum Thema Preisanpassungsmöglichkeiten aufgrund der Ukraine-Krise berichtet (Beschluss vom 19.10.2022, Az. VK 1 85/22). Die VK Bund hatte entschieden, dass Preisanpassungsklauseln bei Liefervergaben nicht zwingend in den Vergabeunterlagen vorgesehen sein müssen. Mittlerweile wurde die Entscheidung veröffentlicht, sodass wir Ihnen nähere Auskunft zu den Entscheidungsgründen geben können:
Anspruch auf Anpassungsklausel nur bei unzumutbarem Wagnis für Bieter
Die VK Bund stützt sich in ihrem Beschluss darauf, dass es bei der Vergabe von Lieferleistungen kein allgemeines Verbot für öffentliche Auftraggeber gebe, den Bietern ungewöhnliche Wagnisse aufzubürden. Eine Preisanpassungsklausel müsse vielmehr erst dann zwingend verankert werden, wenn den Bietern eine vernünftige kaufmännische Kalkulation unzumutbar sei. Davon ging die VK Bund in dem zugrundeliegenden Sachverhalt trotz Ukraine-Krise, verzögerten Lieferketten und damit verbundenen Preisrisiken für nicht aus. Zwar ist der Vergabekammer mit Blick auf die Ukraine-Krise die derzeit schwierige Wirtschaftslage durchaus bewusst. Ihr ist auch bekannt, dass damit zum Teil erhebliche Preissteigerungen bei vielen Produkten verbunden sind. Dennoch sei die Grenze der Überbürdung unzumutbarer Wagnisse hier nicht erreicht. Zum einen sei die Angebotsfrist zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht abgelaufen, sodass die Bieter ihre Angebotspreise an die jüngsten Preissteigerungen noch anpassen könnten. Zum anderen könne der Vertrag mit einer insgesamt 3-jährigen Laufzeit jährlich zum Ende des Kalenderjahres mit einer Frist von 3 Monaten gekündigt werden. Stelle sich also nach Auftragsbeginn heraus, dass ein Festhalten an den ursprünglichen Preisen unwirtschaftlich sei, komme eine solche Kündigung in Betracht. Des Weiteren bestehe für den Auftragnehmer die Möglichkeit, eine Preisanpassung gemäß § 313 BGB zu verlangen.
Auswertung
Zusammenfassend erweist sich die Entscheidung der VK Bund u.E. weiterhin als zumindest diskussionswürdig. Insbesondere ist fraglich, ob alleine eine Kündigungsmöglichkeit tatsächlich geeignet ist, ein (ansonsten) „unzumutbares“ Kalkulationsrisiko abzufangen. Eine vertragliche Preisanpassungsklausel kann hier die Interessen beider Vertragsparteien (insbesondere in den aktuellen Zeiten) womöglich deutlich besser widerspiegeln: Bei der Kündigung riskiert der Auftragnehmer einen handfesten wirtschaftlichen Schaden – nämlich den Wegfall des Vertrages und der damit verbundenen Verdienstaussichten des Bieters für den Rest der planmäßig vorgesehenen Laufzeit. Nicht umsonst wird deswegen sogar beim Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB als erste Stufe der Versuch einer Anpassung unternommen, bevor als „letzte Möglichkeit“ eine Kündigung in Betracht kommt. Im Übrigen ist eine Anpassung der Vergütung gemäß § 313 BGB mit hohen Darlegungsanforderungen und damit mit hohem Verwaltungsaufwand für beide Seiten verbunden. Außerdem sind Preisanpassungsklauseln in aller Regel deutlich besser auf die vertraglichen Besonderheiten zugeschnitten. Von daher kann es sich im Einzelfall nach wie vor auch für Auftraggeber zur Minimierung wirtschaftlicher Risiken, wie sie z.B. auf zu hohen Ausgangspreisen folgen können, als ratsam erweisen, möglichst präzise Preisanpassungsmöglichkeiten in den Vergabeunterlagen vorzusehen. Dass die potenziellen Auftragnehmer an den möglichen Risiken auch dann durchaus beteiligt werden können und es keiner vollständigen Risikoübernahme durch den Auftraggeber bedarf, versteht sich von selbst.
[GGSC] berät Auftraggeber bei der Ausgestaltung von Vergabeunterlagen auch in einem schwierigen Marktumfeld bzw. in Situationen schwer absehbarer Kosten- und Preisentwicklungen.