Newsletter Vergabe Februar 2025

EuGH stärkt Wettbewerbsgrundsatz: Strenge Anforderungen an Ausschließlichkeitsrechte in Vergabeverfahren

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat einmal mehr entschieden, dass die Berufung auf Ausschließlichkeitsrechte (Patente, Urheberrecht usw.) zur Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb als Ausnahme vom regulären Vergabeverfahren restriktiv und damit eng auszulegen ist (Urteil vom 09.01.2025, C-578/23).

Der Fall

Ein öffentlicher Auftraggeber vergibt einen Auftrag im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung. Es handelt sich um einen Folgeauftrag für Software, die seit den 1990er Jahren eingesetzt wird. Die Vergabestelle meint, die Software sei urheberrechtlich geschützt. Dabei sei auf den Zeitpunkt des ursprünglichen Vertrags abzustellen. Der Software-Anbieter sei aber auch nicht bereit gewesen, den Quellcode zu übertragen. Die für einen Produktwechsel erforderlichen wirtschaftlichen und personellen Kapazitäten führten dazu, dass die Erfüllung staatlicher Aufgaben in Gefahr sei.

Die Entscheidung

Ein Wettbewerber rügt dies und macht geltend, dass zwischenzeitlich alternative Anbieter für die Software existierten.

Die Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb ist rechtswidrig! Der EuGH betont, dass die Berufung auf die Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist und die Voraussetzungen dafür vom öffentlichen Auftraggeber nachgewiesen und dokumentiert werden müssen. Für die Frage, ob der Auftrag wegen des urheberrechtlichen Schutzes nur von einem Unternehmen ausgeführt werden könne, sei nicht auf den Zeitpunkt des ursprünglichen Auftrags abzustellen, sondern auf den Beginn des neuen Verhandlungsverfahrens. Der öffentliche Auftraggeber hatte auch hinreichende wirtschaftliche und organisatorische Mittel, um seit der ursprünglichen Vergabe die Migration auf ein neues Produkt zu bewältigen. Insoweit wurde die Ausschließlichkeitssituation künstlich durch Untätigkeit der Vergabestelle geschaffen.

Praxishinweise

Die Entscheidung beruht auf der alten Rechtslage nach Art. 31 der RL 2004/18 EG (jetzt: Art. 32 RL 2014/24/EU). In Deutschland ist die entsprechende Regelung in § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV verankert.

Gerade wenn es um den Ersatz von Software geht, die seit längerer Zeit bei Behörden im Einsatz ist, sollte durch eine Markterkundung geprüft werden, ob tatsächlich keine alternativen Anbieter existieren (siehe auch weiteren Beitrag).

Migrationsaufwand zumutbar?

Ein gewisser Migrationsaufwand ist jeder Beschaffung immanent und muss hingenommen werden. Zudem sollten Maßnahmen wie die Verhandlung über einen Lizenzerwerb, eine Aufteilung auf Lose oder eine funktionale Beschreibung geprüft werden, um die Ausschließlichkeitssituation zu umgehen. Bei der künftigen Beschaffung von KI-Lösungen ist es ohnehin angezeigt, auf Open-Source-Lösungen zurückzugreifen.

Dokumentationsanforderungen bei Konzentration auf einen Bieter

Kommt ausnahmsweise nur ein Anbieter in Betracht, müssen die Gründe im Vergabevermerk dokumentiert werden. Zudem ist an eine freiwillige ex-ante Transparenzbekanntmachung zu denken.

 

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