EuGH: Neues zur Abfalleigenschaft von Klärschlamm, der zur Verbrennung bestimmt ist
[GGSC] berichtet schon seit einigen Jahren regelmäßig zur Thematik der Klärschlammverwertung. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage der abfallrechtlichen Einordnung von Klärschlamm keine neue: Erst mit Urteil vom 08.07.2020 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass Klärschlamm, der getrennt von Abwasserentsorgungsanlagen auf sog. „Schlammplätzen“ abgelagert wird, als Abfall im Sinne des KrWG einzustufen ist (vgl. [GGSC]-Abfallnewsletter Juli 2020).
Im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens des Landesverwaltungsgerichts Steiermark hat nun auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) Stellung zur Abfalleigenschaft von Klärschlamm bezogen. Mit Urteil vom 14.10.2020 (Az.: C-629/19) hat der EuGH klargestellt, dass Klärschlamm dann nicht (mehr) als Abfall einzustufen ist, wenn die Voraussetzungen für das Ende seiner Abfalleigenschaft nach der Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG bereits vor seiner Verbrennung erfüllt sind.
Sachverhalt
In dem Verfahren ging es um Klärschlamm aus einer Kläranlage, die ein Unternehmen der Papier- und Zellstoffproduktion gemeinsam mit einem Wasserverband betreibt. Der durch die Abwasserbehandlung entstehende Klärschlamm entstammte zu 97 % dem industriellen Produktionsprozess und zu 3 % der Behandlung kommunaler Abwässer. Der Klärschlamm wurde der Verbrennung zugeführt und der gewonnene Industriedampf zur Energiegewinnung in der Papier- und Zellstofffabrik eingesetzt. Als der Fabrikant und der Wasserverband beabsichtigten, Veränderungen an ihren Klärschlammverbrennungsanlagen vorzunehmen, wurden ihnen von der zuständigen Behörde abfallrechtliche Genehmigungspflichten auferlegt.
Die Behörde stützte den Bescheid auf die Annahme, dass selbst ein untergeordneter Anteil an kommunalen Abwässern bei der Klärschlammerzeugung dazu führe, dass der Klärschlamm insgesamt nicht mehr als „Nebenprodukt“ angesehen werden könne, das (unter bestimmten weiteren Voraussetzungen) nicht dem Regime des Abfallrechts unterliegt. Der Fabrikant und der Wasserverband erhoben Klage gegen die behördliche Anordnung. Das Landesverwaltungsgericht legte dem EuGH die – nachfolgend vereinfacht formulierte – Frage vor, ob Klärschlamm „Abfall“ im Sinne der Abfallrahmenrichtlinie darstellt bzw. ob die geringfügige Beimischung kommunaler Abwässer einer Einordnung von Klärschlamm als „Nebenprodukt“ entgegensteht.
Klärschlamm als Abfall im Sinne der Abfallrahmenrichtlinie
Der EuGH hat zunächst klargestellt, dass der streitgegenständliche Klärschlamm kein „Abwasser“ im Sinne des Art. 2 Abs. 2 lit. a) Abfallrahmenrichtlinie darstelle und somit nicht aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen sei. Hierfür hätte es einer anderen unionsrechtlichen Vorschrift bedurft, die genaue Bestimmungen über die Bewirtschaftung von Klärschlamm als Abfall enthält. Dem EuGH zufolge existiert eine solche Vorschrift indes nicht. Insbesondere könne nicht auf die Richtlinie 91/271/EWG über die Behandlung von kommunalem Abwasser abgestellt werden.
In einem zweiten Schritt widmete sich der EuGH sodann der Frage, ob der streitgegenständliche Klärschlamm die Kriterien für die Einordnung als „Abfall“ im Sinne des Art. 3 Nr. 1 Abfallrahmenrichtlinie erfüllt. Unter Verweis auf die Definition von Abfall als Stoff oder Gegenstand, dessen sich sein Besitzer „entledigt, entledigen will oder entledigen muss“ stellt der EuGH fest, dass jedenfalls häusliches bzw. kommunales Abwasser die Abfalleigenschaft erfüllt. Dem EuGH zufolge ist es unerheblich, ob der Anteil des kommunalen Abwassers im Vergleich zum industriellen Abwasser gering ist, da dem Regelungszweck der Abfallrahmenrichtlinie (Gesundheits- und Umweltschutz) nur dann Rechnung getragen werden kann, wenn Abfälle die für sie vorgesehene Behandlung durchlaufen. Da sich die kommunalen und industriellen Abwässer im vorliegenden Fall nicht voneinander trennen lassen, sei das Abwasser (und damit der Klärschlamm) grundsätzlich als Abfall einzustufen. Das vorlegende Landesverwaltungsgericht müsse allerdings prüfen, ob seitens der Abfallbesitzer (Fabrikant und Wasserverband) hinsichtlich des Klärschlamms auch ein Entledigungswille gegeben sei.
Ende der Abfalleigenschaft vor Verbrennung
Ergänzend weist der EuGH darauf hin, dass das vorlegende Landesverwaltungsgericht auch die Frage zu prüfen habe, ob mit Blick auf den Klärschlamm die Voraussetzungen für das Ende der Abfalleigenschaft (Art. 6 Abs. 1 Abfallrahmenrichtlinie) bereits vor dessen Verbrennung erfüllt sind. Sollte die Verbrennung des Klärschlamms in einem Verfahren der „Verwertung“ i.S.d. Art. 3 Nr. 15 Abfallrahmenrichtlinie bestehen, wäre der Klärschlamm zum Zeitpunkt der Verbrennung dem EuGH zufolge noch als Abfall einzustufen. Eine Änderung der Abfalleigenschaft würde voraussetzen, „dass die zur Verwertung durchgeführte Behandlung es ermöglicht, Klärschlamm zu gewinnen, der dem nach der [Abfallrahmenrichtlinie] gebotenen hohen Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und Umwelt gerecht wird, also insbesondere frei von jeglichen gefährlichen Stoffen ist.“ Handelt es sich bei dem Klärschlamm zum Zeitpunkt der Verbrennung nicht mehr um Abfall i.S.d. Abfallrahmenrichtlinie, würde dies dazu führen, dass die Veränderungen an den Verbrennungsanlagen nicht mehr dem Regelungsregime des Abfallrechts unterliegen.
Die Entscheidung des EuGH zeigt, dass Klärschlamm nach Maßgabe der Abfallrahmenrichtlinie (und damit auch des KrWG) nur unter engen Voraussetzungen nicht als Abfall einzustufen ist. Gleichwohl verbieten sich pauschale Einordnungen und die objektiven und subjektiven Voraussetzungen für die Abfalleigenschaft (insb. der Entledigungswille) sind sorgfältig zu prüfen.
Die Frage, unter welchen konkreten Voraussetzungen Klärschlamm die Abfalleigenschaft verliert, hat der EuGH nicht abschließend entschieden. [GGSC] wird die Entwicklungen der Rechtsprechung im Auge behalten und zu gegebener Zeit weiter berichten.