OVG Greifswald: Ausgleich von Über- und Unterdeckungen in der Gebührenkalkulation
Als Vorkalkulation beruht die Abfallgebührenkalkulation notwendigerweise auf einer – durchaus mit gewissen Unsicherheiten verbundenen – Prognose der Kosten für den Betrieb der öffentlichen Einrichtung und der Inanspruchnahme dieser durch die Gebührenschuldner. Sich dann am Ende des Kalkulationszeitraums ergebende Kostenüber- oder Unterdeckungen müssen bzw. können innerhalb eines bestimmten, je nach Landesrecht unterschiedlich langen, Zeitraumes ausgeglichen werden.
Das OVG Greifswald hat im Rahmen eines Rechtsstreits über die Heranziehung zu Abfallgebühren wichtige Hinweise zum Ausgleich von Über- und Unterdeckungen gegeben. In diesem hatte das VG Schwerin zuvor die Abfallgebührensatzung eines Landkreises für unwirksam befunden. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss vom 15.07.2021 (Az.: 3 LZ 553/19 OVG) abgelehnt.
Prüfung von Über- und Unterdeckungen für den gesamten Kalkulationszeitraum
Im Beschluss wurde zunächst darauf hingewiesen, dass Über- und Unterdeckungen im Sinne des § 6 Abs. 2d Satz 2 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG MV) dem Grundsatz nach nicht vor Ende des Kalkulationszeitraumes entstehen können. Ob die kalkulierten von den tatsächlichen Kosten bzw. Maßstabseinheiten abweichen, könne sich erst herausstellen, wenn diese nach Ablauf des Zeitraumes, für den die Prognose erstellt wurde, der Höhe nach endgültig feststehen. Die – in Mecklenburg-Vorpommern drei Jahre betragende – Ausgleichsfrist beginnt dann mit Ende des vorangegangenen Kalkulationszeitraumes zu laufen.
Das OVG Greifswald hat darüber hinaus jedoch auch klargestellt, dass sich die Prüfung von Kostenüber bzw. –unterdeckungen immer auf den gesamten Kalkulationszeitraum beziehen muss. Vor diesem Hintergrund wurde im zu entscheidenden Fall ein Ermessenfehler darin gesehen, dass bei Beschluss einer neuen Gebührenkalkulation durch das Vertretungsorgan nur die im ersten Jahr angefallene, nicht aber der Gesamtbetrag der Unterdeckung für den vorangegangenen zweijährigen Kalkulationszeitraum angegeben wurde.
Vorgehen in der Praxis
Von Bedeutung sind die Hinweise des OVG insbesondere dann, wenn ein Kalkulationszeitraum von drei oder mehr Jahren gewählt wird, für den Ausgleich von Über- bzw. Unterdeckungen jedoch nur ein Zeitraum von – wie in Mecklenburg-Vorpommern der Fall – höchstens drei Jahren zur Verfügung steht. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob und wie das erste Jahr nach Ablauf einer Kalkulationsperiode rechtssicher für den Ausgleich genutzt werden kann. Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, dass zum einen ein rückwirkendes Inkraftsetzen der Gebührensatzung in Betracht komme. Der rückwirkende Satzungserlass begegnet jedoch schon im Hinblick auf Fragen des Schlechterstellungsverbotes rechtlichen Zweifeln. Als zweckmäßiger erscheint es – auch nach den Ausführungen des Gerichts – für das letzte Jahr eines mehrjährigen Kalkulationszeitraumes Schätzungen bei der Betriebsabrechnung zuzulassen. Unklar bleibt, welche Anforderungen an diese Schätzung gestellt werden und wie es sich auswirkt, wenn die Schätzung der Über- oder Unterdeckung vom tatsächlichen Betriebsergebnis abweicht. Hier kann davon ausgegangen werden, dass eine Gebührensatzung jedenfalls dann Bestand haben dürfte, wenn entweder eine Unterdeckung zu niedrig oder eine Überdeckung zu hoch geschätzt wird, da in diesen Fällen der Gebührensatz im Ergebnis nicht überhöht wäre. Ein – je nach Landesrechtsprechung unterschiedlich hohes – rechtliches Risiko kann im Ergebnis jedoch nur durch die Wahl eines kürzeren Kalkulationszeitraums ausgeräumt werden, sodass dann ihrer Höhe nach endgültig feststehende Über- und Unterdeckungen noch innerhalb der gesetzlichen Frist ausgeglichen werden können.
[GGSC] berät regelmäßig Kommunen bei der Erstellung von Gebührenkalkulationen sowie bei der rechtssicheren Ausgestaltung von Straßenreinigungs- und Abfallgebührensatzungen.