Newsletter Abfall November 2021

Preisanpassungen wegen Kosten- und Erlössteigerungen?

Es ist in aller Munde und auch schon konkret spürbar: Die Inflation, hauptsächlich getrieben durch stark steigende Energiepreise, führt zu Kostensteigerungen. Die Frage ist, wer trägt diese zusätzlichen Kosten: Können Auftragsnehmer ihre Kostensteigerungen auf den Auftraggeber umlegen und unter Umstände auch eine Vertragsanpassung verlangen? Besonders betroffen ist der Einsatz von Kraftstoffen(Diesel), insb. bei Verwendung von Indices, z.B. für Fahrzeuge in der Abfallsammlung. 

Ähnlich stellt sich die Frage aktuell regelmäßig mit Blick auf die deutlich angestiegenen Erlöse im Bereich der Verwertung von Altpapier.

Möglichkeiten der Kostenumlegung

Es stehen grundsätzlich zwei Instrumente zur Verfügung, auf die sich die Auftragnehmer gegenüber ihren Auftraggebern berufen könnten, um die gestiegenen Kosten abzuwälzen. Zum einen sind es vertraglich vereinbarte Preisanpassungsklauseln, die regelmäßig Formeln für die Errechnung von Kosten- bzw. Preissteigerungen enthalten. Meistens sind diese an Indizes des Statistischen Bundesamtes gekoppelt, die u.a. Lohnsteigerungen oder Preissteigerungen bei Kraftstoffen wiedergeben. Zum anderen steht die Möglichkeit einer gesetzlichen Vertragsanpassung über die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB zur Verfügung. Teilweise enthalten die Verträge selbst eine an § 313 BGB angelehnte sog. Wirtschaftlichkeitsklausel, die dem gesetzlichen Anpassungsanspruch vorgeht. Ebenso enthält § 2 VOL/B eine Anspruchsgrundlage für Vertragsanpassungen. 

Preisanpassungsklauseln

Sofern Sie mit einem Preisanpassungsverlangen konfrontiert sind, wäre zunächst zu prüfen, ob der zugrundeliegende Vertrag (z.B. über Sammel- oder Transportleistungen von Abfall) konkrete Preisanpassungsklauseln beinhaltet. Wenn das der Fall ist und die Kostensteigerungen aufgrund von gestiegenen Energie- und Kraftstoffkosten geltend gemacht werden, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese auch von diesen Klauseln erfasst sind. Dennoch sollten die Darstellungen des Vertragspartners keineswegs ungeprüft übernommen werden. Meist sind die Formeln kompliziert und in der Anwendung fehlerbehaftet. Dabei sollte – und idealerweise ist eine solche Bestimmung in den Verträgen enthalten – schon nach den allgemeinen Beweisregeln (die denjenigen verpflichten, der etwas fordert) verlangt werden, die (statistischen) Veränderungen schriftlich zu belegen und zu erläutern, um die Überprüfung zu erleichtern. Weiterhin sollte geprüft werden, ob es beim Vertragspartner nur rechnerisch, oder aber tatsächlich auch zu Kostensteigerungen gekommen ist.

Störung der Geschäftsgrundlage

In der Beratungspraxis ist zu beobachten, dass allzu schnell eine Preisanpassung wegen gestiegener Beschaffungskosten nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage verlangt wird. Dabei ist große Zurückhaltung geboten. Die Anspruchsgrundlage gemäß § 313 BGB ist nach der Gesetzessystematik und der einschlägigen Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen anwendbar. Sie dient v.a. nicht dazu, das gewöhnliche Risiko von Preisveränderungen (z.B. die Beschaffung von Kraftstoff zum Betrieb der Sammelfahrzeuge) auf den Vertragspartner abzuwälzen. Damit dürfte sich regelmäßig nur ein Geschäftsrisiko verwirklichen, welches von den Marktteilnehmern vor Vertragsschluss einzukalkulieren war. 

Letzteres wurde übrigens wiederholt durch die Rechtsprechung z.B. bei absinkenden Altpapierpreisen bestätigt: Weil der Altpapiermarkt bekanntermaßen äußerst volatil ist, sind absinkende Altpapierpreise bei der Preiskalkulation im Vorhinein zu berücksichtigen. Da die Grenzen bei § 313 BGB nicht trennscharf sind, sollte jeweils im Einzelfall eine Bewertung erfolgen. Dies gilt auch im Fall der stark angestiegenen Erlöse – wie dies aktuelle der Fall ist, bei PPK-Erlösen von deutlich über 200 Euro/Mg.

Vorgehen in der Praxis

Wie bereits erwähnt, sollte zunächst geklärt werden, mögliche Preisanpassungsklauseln einschlägig und auch rechtswirksam sind. Belege und Erläuterungen von Preissteigerungen sind sowohl bei Preisanpassungsklauseln als auch bei Anpassungsverlangen aufgrund der Störung der Geschäftsgrundlage zu fordern. Es ist keinesfalls ausgeschlossen, dass „Trittbrettfahrer“ die aktuelle Diskussion um die ansteigende Inflation ausnutzen, ohne dass ihnen tatsächlich relevante Kostensteigerungen entstanden sind. 

Vergaberecht beachten

Vor einer Vertragsanpassung bzw. Gewährung von höheren Preisen ist auch das Vergaberecht zu beachten, dass (nachträgliche) Vertragsanpassungen unter bestimmte Voraussetzungen stellt. Daneben ist unter Umständen noch zu erwägen, wie wahrscheinlich ggf. ein Ausfall des Auftragnehmers (etwa durch Insolvenz) ist, sofern ihm eine Preisanpassung verwehrt wird. Ggf. kann in der Folge eine Lücke in der öffentlichen Daseinsvorsorge (z.B. Abfallabfuhr) drohen, die es selbstverständlich zu vermeiden gilt. Allerdings ist eben auch hierbei Vorsicht angezeigt, da das Vergabe- und auch das Haushaltsrecht solch politischen Erwägungen Grenzen setzt. 

Co-Autor: Rechtsanwalt Felix Brannaschk

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