Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in Brandenburg – Finanzielle Entlastung mit neuem Konfliktpotential
Der Brandenburgische Landtag hat § 8 Abs. 1 S. 2 des Kommunalabgabengesetzes neugefasst. Damit hat Brandenburg - neben Bayern und Mecklenburg-Vorpommern - die bundesweit in der Diskussion stehenden Straßenausbaubeiträge abgeschafft.
Mit der Gesetzesänderung sollte „zunehmenden Akzeptanzproblemen“ begegnet werden (vgl. Gesetzesentwurf, Drs. 6/10943). Als Ausgleich zahlt das Land Brandenburg den Gemeinden gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über den Mehrbelastungsausgleich eine mit Haushaltsmitteln finanzierte Pauschale zur Investition in Maßnahmen des Straßenausbaus. Die Abschaffung der Straßenbaubeiträge birgt jedoch neben der finanziellen Entlastung der betroffenen Grundstückseigentümer auch neues Konfliktpotenzial.
Straßenbau und Erschließung: Zweigleisige Beitragsfinanzierung in Brandenburg
Unangetastet von der Abschaffung der Straßenbaubeiträge bleibt das Erschließungsbeitragsrecht. Im Gegensatz zur Erweiterung, Erneuerung oder Verbesserung von Verkehrsanlagen werden weiterhin Beiträge für die erstmalige Herstellung von Erschließungsanlagen erhoben. Während Straßenbaubeiträge in den Kommunalabgabengesetzen der jeweiligen Länder geregelt werden, findet das Erschließungsbeitragsrecht seine gesetzliche Grundlage im bundesrechtlichen Baugesetzbuch.
Dem Landesgesetzgeber steht jedoch bereits seit der Änderung des Grundgesetzes im Jahr 1994 die Möglichkeit offen, das Erschließungsbeitragsrecht in das jeweilige Kommunalabgabengesetz zu integrieren. Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes erstreckt sich nach der seitdem geltenden Fassung nicht mehr auf das „Recht der Erschließungsbeiträge“. Dieses gilt gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG zwar als Bundesrecht fort, kann aber nach Satz 2 durch Landesrecht ersetzt werden. Von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben bislang jedoch lediglich Berlin, Baden-Württemberg und Bayern. Auch in Brandenburg wurde ein entsprechender Änderungsantrag gestellt, blieb jedoch im Rahmen des Gesetzesbeschlusses unberücksichtigt.
Die Brandenburger „Sandpisten“ – verpasste Lösung der kommunalrechtlichen Integration des Erschließungsbeitragsrechts?
Äußerst konfliktträchtig ist die Differenzierung zwischen bundesrechtlichem Erschließungsbeitrags- und dem kommunalrechtlichenStraßenbaubeitragsrecht in Brandenburg im Hinblick auf den Ausbau von so genannten „Sandpisten“ aus DDR-Zeiten. An diesen wurden zum Teil bereits in den 1920er und 1930er Jahren Gebäude errichtet, die Straßen wurden aber nach heutigen Maßstäben nicht vollständig ausgebaut. Nach § 242 Abs. 9 BauGB können für Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen im Beitrittsgebiet, die vor Beitritt bereits hergestellt worden sind, keine Erschließungsbeiträge erhoben werden. Die Vorschrift hat die Verwaltungsgerichte in den neuen Bundesländern und auch das Bundesverwaltungsgericht bereits in der Vergangenheit häufig beschäftigt - hauptsächlich in Bezug auf die Frage, wann Erschießungsanlagen nach den örtlichen Ausbaugepflogenheiten als vor dem Beitritt „bereits hergestellt“ angesehen werden können.
Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist die Anwendung des Erschließungsbeitragsrechtes nur dann ausgeschlossen, wenn ein Mindestmaß an bautechnischer Herrichtung zum oder vor dem Stichtag des Beitritts am 03.10.1990 vorlag. Dies ist der Fall, wenn eine hinreichend befestigte Fahrbahn, eine – wenn auch primitive – Form der Straßenentwässerung sowie eine eigene Straßenbeleuchtung existiert, die einen ungefährdeten Haus-zu-Haus-Verkehr ermöglicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.07.2007 – 9 C 5.06). Ob dies der Fall war und ob die jeweilige bauliche Ausgestaltung den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprach, ist mitunter schwierig zu beurteilen – nicht zuletzt auch angesichts des weit zurückliegenden relevanten Zeitraums.
Für die betroffenen Grundstückseigentümer ist die Differenzierung von hoher finanzieller Bedeutung. Denn die Einordnung der Straße als zum Zeitpunkt des Beitritts ausgebaut oder nicht ausgebaut entscheidet darüber, ob die Grundstückseigentümer bis zu 90% an den Kosten der Ausbaumaßnahme beteiligt werden oder ob eine Kostenbeteiligung vollständig entfällt. Der schmale Grat, der über „alles oder nichts“ entscheidet, wird in vielen Fällen als ungerecht empfunden, so dass – verbunden mit der hohen finanziellen Bedeutung für den Einzelnen - entsprechende rechtliche Auseinandersetzungen absehbar sind.
Unklar ist dabei, ob der Gesetzgeber bei der Entscheidung über die Abschaffung der Straßenbaubeiträge die Möglichkeit gesehen hat, das Erschließungsbeitragsrecht in das Kommunalabgabenrecht zu integrieren und im Hinblick auf die sog. Sandpisten differenziertere Regelungen zu schaffen. Die politische Diskussion zur Abschaffung auch der Erschließungsbeiträge läuft bereits.