Zweckentfremdungsrecht – Mietobergrenze für Ersatzwohnraum unwirksam
Das Verwaltungsgericht Berlin hält die zweckentfremdungsrechtliche Mietobergrenze für unwirksam.
Wohnungs- und Wohngebäudeeigentümer können die für den Abriss oder eine beabsichtigte Umnutzung von Wohnraum erforderliche Zweckentfremdungsgenehmigung nach dem Berliner Zweckentfremdungsverbot- Gesetz (ZwVbG) dadurch erlangen, dass sie den durch die Zweckentfremdung eintretenden Wohnraumverlust „durch die Schaffung von angemessenem Ersatzwohnraum“ ausgleichen. Während der Dauer der – aktuell unbestreitbar bestehenden – „angespannten Wohnungsmarktlage“ setzt dies indes voraus, dass der Ersatzwohnraum bei einer Vermietung dem Wohnungsmarkt „zu angemessenen Bedingungen“ zur Verfügung steht.
Neben anderen Voraussetzungen erkennt das Gesetz „angemessene Bedingungen“ nur dann an, wenn die Miete „von einem durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmerhaushalt allgemein aufgebracht werden“ kann. Das gesetzgeberische Ziel besteht darin zu verhindern, dass Standardwohnraum durch Luxuswohnraum ersetzt und verdrängt wird. In der Zweckentfremdungsverbot-Verordnung (ZwVbVO) wird eine Mietobergrenze für Ersatzwohnraum auf 7,92 €/m² netto kalt festgesetzt. Soll eine höhere Miete verlangt werden, werden die neu geschaffenen Wohnungen nicht als „Ersatzwohnraum“ anerkannt.
VG Berlin: Mietobergrenze ist unverhältnismäßig
Diese Genehmigungsvoraussetzung verstößt nach Auffassung der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und sei daher nichtig. In seinem Urteil vom 27.08.2019 (VG 6 K 452.18), das vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen um den Mietendeckel relativ wenig beachtet wurde, führt das Verwaltungsgericht aus, das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz schütze Wohnraum nicht um seiner selbst Willen und diene auch nicht dem Schutz der Mieter. Vielmehr solle es den Wohnraumbestand vor Nutzungen zu anderen als Wohnzwecken bewahren und hierdurch die Wohnraumversorgung sichern. Eine starre und überdies zeitlich unbegrenzte Festlegung eines derart geringen Mietpreises für Ersatzwohnraum gleich welcher Art und Lage stehe mit dem Regelungszweck des ZwVbG nicht im Einklang und erweise sich als unverhältnismäßig. Überdies werde der Neubau von Wohnraum durch die Mietobergrenze nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Berlin „wesentlich erschwert“.
Klärung im Berufungsverfahren
Das Land Berlin hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das Urteil zum OVG Berlin-Brandenburg eingelegt. Ob es letztlich bei einer – ggf. differenzierteren – Regelung zur Mietobergrenze für Ersatzwohnraum bleiben wird oder ob die Regelung ganz abgeschafft werden muss, ist offen. Der beim OVG Berlin-Brandenburg anhängige Rechtsstreit (OVG 5 B 29.19) sowie ein Verfahren zur Gesetzesänderung werden sich über Monate, wenn nicht über Jahre, erstrecken. Es bleibt abzuwarten und zu beobachten, welche Verwaltungspraxis sich in der Zwischenzeit herausbildet. Soweit die Einhaltung der Mietobergrenze für Ersatzwohnraum von den Bezirksämtern weiterhin gefordert wird und zudem durch entsprechende beschränkt persönliche Dienstbarkeiten abgesichert werden muss, ist eine Vielzahl weiterer verwaltungsgerichtlicher Verfahren vorprogrammiert.
[GGSC] wird Sie über die weitere Entwicklung informieren.