Mehr Rechtsschutz gegen Rechtsverordnungen im Land Berlin
Durch eine Änderung des Berliner Justizgesetzes wurde nun endlich der Rechtsschutz gegen Rechtsverordnungen im Land Berlin gestärkt – leider erst ab Juli 2022.
Anders als fast alle anderen Bundesländer hatte der Berliner Landesgesetzgeber bislang nicht von der durch § 47 Abs. 1 Nr. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, „andere (...) im Rahmen unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften“ einer unmittelbaren („prinzipalen“) Normenkontrolle durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugänglich zu machen. Das Institut der oberverwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle steht im Land Berlin bislang lediglich für städtebauliche Rechtsverordnungen wie insbesondere Bebauungspläne zur Verfügung.
Diese Rechtsschutzlücke hat der Berliner Landesgesetzgeber mit Beschluss vom 14.09.2021 (kurz vor Ende der Legislaturperiode) geschlossen und einen neuen „§ 62a Normenkontrollverfahren“ in das Justizgesetz Berlin eingeführt.
Corona als Motor für erweiterten Rechtsschutz
Das noch sehr junge Gesetz über die Justiz im Land Berlin (Justizgesetz Berlin – JustG Bln) vom 22.01.2021, das die längst überfällige Zusammenfassung aller für die Berliner Justiz geltenden Rechtsvorschriften in einem einheitlichen Normwerk bewirkt hat, erwies sich folglich bereits kurz nach seinem Inkrafttreten im Januar 2021 als unvollständig.
Es war insbesondere die mehrfach geänderte SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung des Landes Berlin, die die Rechtsschutzlücke zu Tage brachte. Anders als in (fast) allen anderen Bundesländern war (und ist) es in Berlin nicht möglich, diese und andere Rechtsverordnungen einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle durch das OVG Berlin-Brandenburg zuzuführen. Rechtsschutzsuchende waren (und sind) in Berlin darauf beschränkt, gegen Verwaltungsmaßnahmen aufgrund einer Rechtsverordnung gerichtlich vorzugehen und in diesem Rahmen auch die gerichtliche Überprüfung der Rechtsverordnung selbst erreichen zu können.
Entsprechende verwaltungsgerichtliche Urteile wirken indes lediglich individuell („inter partes“), wohingegen mit der oberverwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle eine allgemeinverbindliche Klärung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Rechtsverordnung erreicht werden kann. Damit ist in jedem Falle ein Plus an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit verbunden.
Geltung erst ab Juli 2022
Zu einer sofortigen Rechtsänderung konnte sich der Landesgesetzgeber indes nicht durchringen. Der neue § 62a JustG Bln tritt erst am 01.07.2022 in Kraft. Auch wenn zu hoffen bleibt, dass die SARS-CoV-2 Infektionsschutzverordnungen bis zum 01.07.2022 an Bedeutung verlieren, wird Berlin dann um eine weitere Rechtsschutzmöglichkeit reicher sein.
Auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wird sich dann bzgl. des Berliner Landesrechts mit der – allgemein noch nicht abschließend geklärten – Frage befassen müssen, was alles zu den „anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften“ gehört. Bei Plänen und Programmen ist dies etwa erst dann der Fall, wenn sie durch Rechtsverordnung für verbindlich erklärt worden sind. Andererseits werden Verwaltungsvorschriften, also verwaltungsinterne Normen nur in seltenen Ausnahmefällen Gegenstand einer Normenkontrolle sein können. Über den Anwendungsbereich des neuen § 62a JustG Bln wird man ab Juli 2022 streiten können.