HOAI-Leistungsbild vereinbart – Honorarkürzungen, wenn Grundleistungen fehlen?
Zum wiederholten Mal hat ein Gericht entschieden, dass Honorar gekürzt werden darf, wenn vereinbarte HOAI-Grundleistungen nicht „abgearbeitet“ wurden – und zwar selbst dann, wenn das geplante Bauwerk mangelfrei gebaut wurde.
Das Problem
In weit über 90% aller Architekten- und Ingenieurverträge beziehen sich Bauherr und Planer auf die HOAI-Leistungsphasen. Diese werden dadurch zu einer Art Architekten-LV umfunktioniert. Das ist einerseits absolut üblich, aber andererseits bei genauem Hinsehen schon kurios; denn bei fast keinem Projekt passen die abstrakt formulierten und zum Teil auch veralteten HOAI-Leistungsbilder reibungslos zum Projekt.
Trotzdem wird es einfach so gemacht, weil man sich darauf verlässt, nach dem Motto „bekannt und bewährt“.
Zum Problem wird das dann, wenn am Ende die Stimmung kippt. Die praktische Erfahrung zeigt, dass dann häufig mit spitzen Bleistift kontrolliert wird, ob der Planer denn auch wirklich alle seine Hausarbeiten gemacht und alle HOAI-Grundleistungen „abgearbeitet“ hat. Für fehlende Grundleistungen werden dann Prozentsätze gekürzt.
Die Rechtslage
Das OLG Hamm bestätigt in seiner Entscheidung vom 28.01.2021 (21 U 68/14) die seit einem Grundsatzurteil des BGH aus dem Jahr 2004 geltende Rechtslage. Dieses Grundsatzurteil war eigentlich als Ohrfeige sowohl für Architekten, als auch für Auftraggeber gedacht:
Der BGH entschied dort zunächst zu Lasten der Architekten: Wer ohne nachzudenken und unbesehen die HOAI-Leistungsbilder zum Architekten-LV mache und sich keine bessere Leistungsbeschreibung ausdenke, der sei selbst schuld und müsse sich daran dann eben halten. Dann schulde er sämtliche HOAI-Grundleistungen als sog. „Teilerfolge“. Wenn dann einzelne Grundleistungen nicht erbracht werden, sei das ein „Mangel“ des Architektenwerks – und zwar selbst dann, wenn das Bauwerk als solches mangelfrei fertig geworden sei.
Zu Lasten der Auftraggeber entschied der BGH wiederum: Ein solcher „Mangel“ führe keineswegs automatisch dazu, dass man das Honorar kürzen dürfe. So wie bei jedem anderen Werkunternehmer auch müsse man dem Architekten zuerst einmal die Chance geben, den „Mangel“ nachzubessern. Erst dann, oder wenn ausnahmsweise eine solche Nachbesserung keinen Sinn mehr habe, dürfe man das Honorar kürzen.
Das Problem dabei ist, das diese letzte vermeintliche Ausnahme inzwischen zum Regelfall geworden ist: Die praktische Entwicklung seit 2004 zeigt, dass bei fehlenden HOAI-Grundleistungen fast immer entschieden wird, es habe heute, Jahre später, ohnehin keinen Sinn mehr, eine fehlende Grundleistung aus einer frühen Leistungsphase noch nachzuholen, und deshalb dürfe das Honorar gekürzt werden.
In exakt der gleichen Weise hat das nun auch das OLG Hamm entschieden und einem Architekten das Honorar für Leistungen der Leistungsphase 1 bis 5 von 38.000 € auf 18.000 € gekürzt.
Praktische Folgerungen
Diesem Problem kommt man einzig und allein mit sinnvoller Vertragsgestaltung bei. Solange man bei der bisherigen undifferenzierten Bezugnahme auf die HOAI-Leistungsphasen bleibt, gilt die „Teilerfolge-Rechtsprechung“. In Wahrheit ist das ein Problem für beide Vertragspartner, weil die Teilerfolge-Rechtsprechung ein Tor für Streitigkeiten eröffnet, die für beide Seiten aufwändig und unproduktiv sind. Eine sinnvolle Vertragsgestaltung kann dieses Problem lösen:
Bei Großprojekten ist es dringend zu empfehlen, in den dann hoffentlich stattfindenden echten Vertragsverhandlungen im gemeinsamen Interesse eine projektspezifische Leistungsbeschreibung zu entwickeln und nicht einfach nur die HOAI Leistungsphasen zu vereinbaren. Wenn solche Verhandlungen stattfinden, kann und sollte man gemeinsam definieren, was die wirklich wichtigen Teilerfolge im jeweiligen Projekt sind – und sollte sich dann auch auf diese bei der Festlegung von Werkerfolgen beschränken.
Bei anderen Projekten mag es pragmatisch sein, weiterhin die HOAI-Leistungsbilder nach dem Motto „bekannt und bewährt“ als Grundlage zu verwenden. Es empfiehlt sich dann aber dringend klarzustellen, dass die einzelnen, teils mit 0,1 Prozent der Gesamtleistung zu bewertenden Teilleistungen keine eigenständigen „Teilerfolge“ sind, sondern dass es jeweils auf den Erfolg der Leistungsphase ankommt. Ist dieser erreicht, so ist das Honorar verdient. Das dient beiden Seiten, weil man sich dann völlig unnötige Streitigkeiten über atomisierende Honorarbewertungen erspart.